Die effektivste und preiswerteste Lösung ist auch die fahrgastfreundlichste
Die Linksfraktion kämpft schon lange und hartnäckig gegen die wahnsinnigen Tunnelpläne seitens Verwaltungs- und KVB-Spitze.
Doch die in der Beschlussvorlage vorgestellte oberirdische Variante begeistert leider auch nicht.
Die Haltestelle am Neumarkt soll auf vier Gleise erweitert werden, die weit in den Platz hineinragen würden. Auf der Linie 1 will man 90m-Langzüge einsetzen. Das spart Fahrpersonal – einen Waggon dranhängen mit dem gleichen Fahrer – bedingt jedoch den Ausbau von 34 Haltestellen von Bensberg bis Weiden. Denn Langzüge brauchen eine Sondergenehmigung und dafür durchgehend eigene Gleiskörper. Dies geht nur auf der Linie 1, die anderen beiden Linien bekämen keine höhere Beförderungskapazität.
Die langen Haltestellen führen zu einer größeren stadträumlichen Barrierewirkung und zu Baumfällungen, weshalb die Bürgervereine des Kölner Westens sich energisch dagegen wehren. Kostenschätzung bisher rund 250 Millionen Euro.
Das Bündnis Verkehrswende hat eine Alternative vorgelegt: Eine Taktverdichtung auf der Ost-West-Achse scheitert allein an den beiden Nadelöhr-Haltestellen Heumarkt und Neumarkt, weil dort alle drei Linien zusammenkommen.
Diese beiden Haltestellen können jedoch ertüchtigt werden, indem man sie verdoppelt, zu je einer Haltestelle pro Richtung mit Mittelbahnsteig, so dass zwei Bahnen gleichzeitig heranfahren können. Damit beschleunigt sich die Abwicklung an diesen beiden Knotenpunkten und ermöglicht eine Taktverdichtung.
Taktverdichtung funktioniert
Die Linksfraktion hat im Sommer eine Expertise in Auftrag gegeben, um die Machbarkeit zu überprüfen. Prof. Dr. Volker Stölting, Verkehrsplaner und Schienensystemexperte an der TH Köln, hält den Vorschlag in Kombination mit Verkehrsberuhigung im City-Abschnitt für betrieblich machbar; er schlägt einen 5 Minuten Takt auf allen drei Linien vor.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Man braucht keine Langzüge, und nicht nur die Linie 1, sondern auch die Linien 7 und 9 erhalten eine erhöhte Beförderungskapazität. Es müssten keine 34, sondern nur 2 Haltestellen umgebaut werden. Der Innenplatz des Neumarkts würde nicht mit Schienen belegt, stadträumliche Barrieren an den Außenästen entfielen.
Es ist die schnellste, preiswerteste, ökologischste und barriereärmste Lösung, In Kombination mit Wegfall des Durchgangsverkehrs und der Parkräume könnte der Neumarkt rasch aufenthaltsfreundlich umgestaltet werden. Eine schnelle und zuverlässige Taktfolge ist kundenfreundlich. Man muss sich nicht in übervolle Bahnen quetschen, weil die nächste erst in 20 Minuten kommt, wenn überhaupt.
Der Vorschlag fand auf einer großen Bürger:innenversammlung mit über 250 Teilnehmenden im Hotel Maritim Anfang September großen Anklang, ebenso bei vielen Bürgervereinen, die sich zum Netzwerk „Oben bleiben mit 60m-Bahnen“ zusammengeschlossen haben. Leider glänzten trotz Einladung Verwaltungs- und KVB-Spitze sowie die SPD-Fraktion durch Abwesenheit. Sie zogen es vor, am nächsten Tag zur 70-köpfigen Pro-Tunnel-Veranstaltung der IHK geballt aufzulaufen: zwei Dezernenten, die KVB-Chefin sowie die Stadtdirektorin als „Privatperson“ – eine überdeutliche Demonstration, wem zugehört wird und wem nicht.
Ja, für diese Variante braucht es mehr Fahrpersonal. Das dürfte der Hauptgrund für die Ablehnung sein. Hier ist aber ohnehin ein Kraftakt nötig. Seit Februar 2023 fährt die KVB mit ausgedünntem Fahrplan, der auch 2025 fortgeführt werden soll. Und selbst diesen hält man oft nicht ein: Bahnen kommen trotzdem verspätet oder fallen ganz aus. Ende September lag der Krankenstand laut Pressemeldungen bei sage und schreibe 20 Prozent. Das schafft nicht mal amazon. Was treibt die KVB-Geschäfts- und Personalführung eigentlich? Wie lange wollen Politik und Aufsichtsrat noch zusehen, wie die KVB immer unzuverlässiger wird?
Vielleicht sollte man sich mal bei der Rheinbahn in Düsseldorf schlau machen; dort gibt es keine Vakanzen beim Fahrpersonal.
Entgegen gehalten wird dem Taktverdichtungs-Vorschlag: 90 Langzüge seien ja bereits beschlossen, Und durch doppeldeutige Formulierungen wird nahegelegt, die Züge seien auch bereits bestellt. Fakt ist: Es sind keine 90m-Züge bestellt, sondern 60m-Züge, an die auf der Linie 1 ein Waggon angehängt werden soll. Ja, der Vorschlag lag noch nicht vor, als man die Planungsbeschlüsse für oben und unten beschlossen hat. Doch andere Vorschläge für längere oder anders geführte Tunnel, die jetzt von SPD, FDP und CDU kommen, sind ebenfalls neu und entsprechen nicht der Beschlusslage von 2018/19.
Bevor eine solche Jahrhundertentscheidung getroffen wird, sollte man gute Vorschläge unvoreingenommen prüfen.
Eine Doppelhaltestelle am Neumarkt hatte übrigens auch das Verkehrsdezernat geplant (Variante 8.2), allerdings für 90m-Bahnsteige. Aber zumindest würde mit dieser Variante der Neumarkt nicht zerstört. Darum haben die BV Innenstadt und die Linksfraktion diese Variante auch als Änderungsantrag eingebracht. Denn die Stadtspitze hat dafür gesorgt, dass diese Variante nicht mehr in der Beschlussvorlage auftaucht.
Tunnelblick schadet
Ein zukunftsfähiger ÖPNV in Köln braucht keine Fokussierung darauf, einen kleinen Innenstadtabschnitt unter die Erde zu legen, sondern den oberirdischen Ausbau des KVB-Netzes in der Fläche, inkl. weiterer Rheinquerungen für die Stadtbahn.
Alle – außer FDP und Autoindustrie – streben möglichst viel Umstieg von Autofahrenden auf den ÖPNV an. Dazu sind die Menschen aber nur bereit, wenn die KVB zuverlässig, pünktlich und in akzeptabler Taktfolge kommt. Es geht nicht an, das autofahrende Individuum immer stärker zu belasten, ohne endlich Alternativen anzubieten und das KVB-Netz auszubauen.