Soziale Gerechtigkeit verteidigen und ausbauen statt verwässern!

Jörg Detjen

Kölner Persönlichkeiten, vorwiegend Funktionäre aus katholischen Kreisen und der Kölner Sozialdemokratie, von denen ich einige schätzen gelernt habe, diskutieren über den ?Zusammenhalt der Stadtgesellschaft?. Ist die Zusammensetzung dieses Kreises kein Zufall und ein Beginn für die Suche nach Inhalten einer Politik von großen Koalitionen in Köln? Mal sehen.

Im Mittelpunkt des Papieres steht nicht die Verteidigung der sozialen Gerechtigkeit und des Sozialstaates, sondern deren Umbau. Mit einem John-F.-Kennedy-Zitat zu Beginn des Positionspapieres: ?Frage nicht, was deine Stadt für dich tut, sondern überlege, was du für deine Stadt tun kannst!? ordnen sich die Unterzeichner gleich in einen bestimmten politischen Zusammenhang ein, nämlich dem Kommunitarismus, eine Politikrichtung, die in den USA stark verbreitet ist. Dort steht nicht der Sozialstaat im Mittelpunkt, sondern das soziale Engagement jedes Einzelnen für und gegenüber der Gemeinschaft.

 

Die Autorinnen und Autoren werfen die Frage auf, welche freiwilligen Leistungen die Stadtgesellschaft ?noch erbringen? kann und ?welche wir uns in Zukunft noch leisten können.? Sie wollen über Prioritäten diskutieren und über Verzicht: ?Wir müssen alle unsere Aufgaben ­ auch im sozialen Bereich ­ hinterfragen.?

Die zunehmende Armut insbesondere in den Großstädten spielt in der Betrachtung der Autoren keine Rolle. Das verwundert, denn einige der Akteure arbeiten sehr engagiert im Sozialbereich! Muss nicht gerade mehr Geld bereitgestellt werden, um Armut zu bekämpfen oder z.B. die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen? Ist es nicht zynisch und herabsetzend, die aktuelle unwürdige Unterbringung der Flüchtlinge mit knappen Haushaltsmitteln zu legitimieren?

Die Autoren werfen in ihrem Positionspapier eine demagogische Frage auf: ?Müssen wir in Köln noch besser sein, müssen wir alles noch barrierefreier, sicherer, umwelt- und sozialverträglicher machen, als der Bund und das Land es vorgeben?? Weder geht Köln in vielen Punkten über die gesetzlich vorgeschrieben Mindeststandards hinaus, noch kann man ernsthaft glauben, diese Mindeststandards seinen an sich schon vollkommen ausreichend für eine gerechte Gesellschaft. Und die Autoren greifen dann eine alte FDP-Leier auf: ?Vielleicht muss man sich an einigen Stellen wieder auf das Wesentliche besinnen.?

?Köln muss sparen? kann und darf nicht im Mittelpunkt einer Diskussion stehen, weil das die Kommune in ihrer Finanznot alleine auch gar nicht lösen kann. Die Verfasser widersprechen sich in ihrer Sparwut, wenn sie zu Recht mehr Mittel für die Kommunen fordern. Deshalb ist es verlogen, zu meinen, Spardebatten ?auf einem guten Niveau? führen zu können. Bei den letzten Haushaltsberatungen wurden z.B. die guten inhaltlichen Argumente der Initiativen und Gruppen im Seniorenbereich nicht gehört und Sparmaßnahmen durchgesetzt, die genau die sozialen Strukturen des ehrenamtlichen Engagements der Seniorinnen und Senioren hart trafen.

Meines Erachtens wäre es wichtig, die Konflikte, insbesondere die sozialen, nicht zuzuschütten, sondern offen zu benennen. ? Das ist der erste Schritt, auch Lösungen zu finden.

Die Verfasser wollen neue Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle entwickeln im Sinne von ?Wir Menschen sind die Stadt?. Das ist aber sehr widersprüchlich, so wie die Zusammensetzung des Unterzeichnerkreises. Gemeinsam wollen sie dafür werben, ?­ dass wir uns fragen, auf was wir wirklich verzichten können?, auf der andere Seite fordern sie ?­ dass wir den Zusammenhalt aller Veedel in Köln verbessern.?

Sehr viel Mühe, Kraft und Proteste waren bei den letzten Haushaltsberatungen nötig, um Rot-Grün davon abzuhalten, die zehn Sozialraum-Projekte zu zerschlagen. Statt die Projekte auszubauen, wurden 300.000 Euro gekürzt. Das ist die Realität, vor der man nicht die Augen verschließen sollte. Man kann nicht so tun, als ob es das nicht gegeben hat.

Neben den engagierten Protesten gegen die Sozialkürzungen gab es nach der Verabschiedung des Haushaltes einen Lichtblick. Der Rat der Stadt Köln unterstützte mehrheitlich eine Initiative des DGB nach Einführung einer Vermögenssteuer. Der Rat der Stadt Köln ist damit dem Bündnis ?Vermögenssteuer Jetzt? beigetreten. Das ist deshalb ein Lichtblick, weil ?Umfairteilen? der Ausgangspunkt für soziale Gerechtigkeit ist. Fairness ist ein politisches Mittel in der Kommunalpolitik, das nicht nur in Köln entwickelt und ausgebaut werden sollte.

Jörg Detjen, Fraktionssprecher der LINKEN im Rat der Stadt Köln