Sanktionen durch das Jobcenter beenden!

Jörg Detjen

Rede in der Ratssitzung am 6.2.2020

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bundesregierung definiert das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld als „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und damit Teil der Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums“.
Kürzt man dieses „menschenwürdige Existenzminimum“ durch Sanktionen, dann nimmt man dem Erwerbslosen damit seine Menschenwürde. Was das Grundgesetz verbietet, wie wir alle wissen.

Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Urteil dazu aus:
Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutzder Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen.“

Wozu es führen kann, wenn wir einem Menschen das Existenzminimum entziehen, haben wir 2010 auf grausame Art und Weise gesehen. Die Leistungen für einen 20-jährigen wurden komplett eingestellt, weil er keine Mitwirkung zeigte. Der schwer depressive junge Mann verhungerte in seiner Wohnung. Dieser Praxis von 100 %-Sanktionen hat das Bundesverfassungsgericht zum Glück abgestellt.

Das Bundesverfassungsgericht begründet ihre Ablehnung von Sanktionen:
Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu, ist dem Grunde nach unverfügbar und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren; sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind.“

Befürworter von Sanktionen schreiben ihnen eine motivierende und abschreckende Wirkung zu. Das Gegenteil ist der Fall. Erwerbslosigkeit ist ohnehin eine schwere psychische Belastung. Viele Betroffene fühlen sich ohnmächtig und resignieren. Kommt eine Sanktion dazu, sind sie ihr oft hilflos ausgesetzt. Resignation und das Gefühl, nichts bewirken zu können, verstärken sich. Das macht es für sie zukünftig noch schwerer, aktiv zu werden, alle Regeln einzuhalten.

Sanktionen können ausgesprochen werden, wenn eine Maßnahme verweigert oder abgebrochen wird, die als sinnlos empfunden wird. Dass Bewerber in Maßnahmen gepresst werden, weil die Sachbearbeiter/innen die Anweisungen haben, die Maßnahme voll zu bekommen, wissen wir. Beispiele für unpassende und sinnlose Maßnahmen wurden bereits ausreichend in Fernsehdokumentationen gezeigt.

Diese staatliche Repression ist unwürdig und ebenfalls durch die Begründung des Bundesverfassungsgerichts zu hinterfragen:
Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind. Diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist auch zur Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren.“

Deswegen bitten wir sie, sich unserem Antrag anzuschließen.
Wir möchten, dass das der neue Spielraum ausgenutzt wird, um auf Sanktionen zu verzichten.

Sind wir es nicht den vielen Leidtragenden, denen viel Unrecht wiederfahren ist, den Erwerbslosenaktivisten und den Erwerbsloseninitiativen schuldig, ihnen mit Respekt zu begegnen?

Leider nimmt die Respektlosigkeit immer wieder neue Formen an:
Am Dienstag kündigte Arbeitsminister Laumann an, 79 Arbeitslosenzentren bis Ende 2020 die Förderung zu entziehen.

Es muss endlich Schluss sein mit dieser unmenschlichen Politik!

 

Unter Top 3.1.3 der Tagesordnung des Rates am 6.2.2020 sind das Thema und unser Antrag zu lesen.