Lassen Sie uns zur Erbpacht als Regel übergehen!

Michael Weisenstein

Rede in der Ratssitzung am 24.6.2021 zum Top 3.1.15 "Sozial gerechte Liegenschaftspolitik"

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer!
Ich freue mich, dass ich Ihnen hier in gebotener Kürze unseren Antrag zur sozial gerechten Liegenschaftspolitik vorstellen darf.

Wir haben uns mit diesem Antrag relativ viel Mühe gemacht und mit dem Einzelmandatsträger, den Gruppen und den Fraktionen, auch mit der SPD, intensiv darüber diskutiert. Es ist dann in zwei Anträgen gemündet. Das ist nicht weiter tragisch. Aber es war ein interessanter Diskussionsprozess. Wir wünschen uns, dass wir diesen Diskussionsprozess jetzt auch hier mit Ihnen als, ich nenne es einmal, Regierungsbündnis in einer konstruktiven Art und Weise führen können.

Meine Damen und Herren, wenn wir eine sozial gerechte Liegenschaftspolitik erreichen wollen, dann brauchen wir eine Wende in der Liegenschaftspolitik. Wir können das nicht weiter so machen, wie wir es in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben eine große Konkurrenz um die Flächen. Wir sind - das brauche ich hier niemandem zu erzählen - eine Wachstumsregion. Es wird um jeden Quadratmeter für Wohnen, für Bildungseinrichtungen, für Grünflächen und für Gewerbe und Arbeitsplätze gekämpft.

Deswegen ist es nicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren, dass die Stadt und ihre Töchter dieses hohe Gut nach wie vor verkaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen dazu übergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Gelände, die wir einem Investor - zu welchem Zweck auch immer - zur Verfügung stellen, dann aber, bitte schön, nicht per Verkauf, sondern in Erbpacht zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen auch darüber diskutieren, nach welchen Kriterien wir Land in Erbpacht vergeben. Dabei muss natürlich der- oder diejenige den Vorzug bekommen, der oder die der Allgemeinheit am meisten mit seinem oder ihrem Projekt dient. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

In dieser Richtung muss auch darüber diskutiert werden, wie hoch der Erbpachtzins ist.

Wenn jemand etwas realisiert, bei dem er sich sehr stark dem Gemeinwohl verpflichtet und dementsprechend eine geringe Renditeerwartung hat, muss auch der Zinssatz sehr niedrig sein. Wenn jemand eine Immobilie oder einen Industriebetrieb entwickelt, bei der oder dem er eine sehr hohe Rendite erwartet, muss natürlich auch der Zinssatz dementsprechend höher sein, meine Damen und Herren.

Der eine oder andere wird wissen, dass wir in dieser Stadt durchaus schon sehr erfolgreiche Projekte im Rahmen der Erbpacht umgesetzt haben. Hier nenne ich den  Kalscheurer Weg. Ich will kurz erklären, was das ist. Dort ist es uns gelungen, in Erbpacht mit der Initiative vor Ort ein integratives Wohnprojekt auf den Weg zu bringen und umzusetzen. Sie verpflichten sich auch, dauerhaft - mindestens für 50 Jahre - preisgebundenen Wohnraum anzubieten.

Meine Damen und Herren, dahin müssen wir kommen. Das müssen wir sehr viel öfter machen. Denn wir haben mit der Erbpacht natürlich ganz andere Möglichkeiten. Nicht alle, aber viele von Ihnen werden sich mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie lange eine Mietwohnung im städtebaulichen Vertrag als preiswert festgeschrieben werden darf. Da haben uns die Gerichte gelehrt: Das wird schwierig, wenn du das Land verkauft hast. Wenn du es in der Erbpacht hältst, kannst du es für die ganze Erbpachtzeit als billige oder als preiswerte Wohnung festschreiben - also für bis zu 99 Jahre.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte zu der Erbpacht als Regel übergehen.

Die katholische Kirche macht das seit vielen Hundert Jahren mit sehr großem Erfolg. (Zuruf von Ralph Sterck [FDP])

- Dass sie momentan in der Kritik steht, ist ja gar keine Frage. Natürlich ist das ein Problem. Aber man kann trotzdem von jemandem, der etwas gut macht, auch etwas lernen. Das ist meine Meinung.

Liebe SPD, der von euch gestellte Antrag ist ja nicht schlecht. Aber ihr macht doch einen Riesenfehler, wenn ihr die städtischen Unternehmen da nicht mit hineinnehmt. An der Stelle müsst ihr noch einmal zu Ende denken. Wenn nur die Stadt selbst Erbpacht macht und die städtischen Unternehmen weiterhin verkaufen dürfen, wird doch die moderne stadt künftig genau das tun. Dann werdet ihr eure Brachflächen der modernen stadt geben, und die moderne stadt wird sie verkaufen. Das geht doch nicht. Deshalb müsst ihr die städtischen Unternehmen mit hineinnehmen - ganz im Sinne von Hans Jochen Vogel.

Das sollte euch hier noch einmal eine Unterstützung sein. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, obwohl ich ein bisschen überzogen habe.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Hier geht es zum gemensamen Antrag von DIE LINKE, Die Partei, Klima Freunde, GUT und FWK.