Beigeordnetenwahlen in Köln: Nicht transparent und nicht nachvollziehbar!

Güldane Tokyürek
AVRRatReden

Rede in der Ratssitzung am 18.8. zum Tagesordnungspunkt 2.1.4: Dringlichkeitsantrag der Fraktion Die Linke. und der Gruppe Die PARTEI betreffend "Transparenz und breitere Ratsbeteiligung bei der Wahl der*des Beigeordneten für Kunst und Kultur"

Hinweis: Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Wortprotokoll der Sitzung, da die Rede frei gehalten wurde.

 

Güldane Tokyürek (DIE LINKE): Sehr ge­ehrte Frau Oberbürgermeisterin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Die Wahl des Bei­geordneten für Stadtentwicklung hat unter anderem gezeigt, dass die Art und Weise, wie in Köln Beigeordnete gewählt werden, im Ergebnis nicht transparent und für die Stadtgesellschaft nicht nachvollziehbar ist.

(Vereinzelt Beifall)

Eines dürfte uns aber allen klar sein: Aus diesen Geschehnissen rund um das Bewer­bungsverfahren und auch der Beschwerde der Fraktionen an die Bezirksregierung soll­ten wir die richtigen Schlüsse ziehen.

Meine Damen und Herren, eine selbster­nannte Auswahlkommission, deren Mitglie­der dem Rat der Stadt Köln nicht bekannt sind, hat sich in Anwesenheit von Oberbür­germeisterin Reker am 16. August 2021 da­für ausgesprochen, Herrn Stefan Charles als Beigeordneten für Kunst und Kultur vorzu­schlagen.

Der Antrag der LINKEN und der FRAKTION vom 13. August 2021 versucht, diese Fehl­entwicklung zu verhindern. Die Oberbürger­meisterin, Frau Reker, und der CDU­ Fraktionsvorsitzende, Herr Petelkau, haben unseren Antrag ignoriert und Fakten ge­schaffen. Deshalb ist unser Antrag hier um­so wichtiger.

Im Lichte dieser unglücklichen Wahlen müs­sen wir uns daher alle die Frage stellen, ob das gängige Verfahren nicht auf den Kopf gestellt werden muss - zum einen, weil das bekannte Verfahren nicht den Vorausset­zungen des § 71 Gemeindeordnung NRW entspricht, und zum anderen, was auch sehr wichtig ist, aus unserer Verpflichtung und unserem Anspruch, unsere kommunalen Wahlbeamten in einem transparenten und alle Ratsmitglieder umfassenden Verfahren zu wählen.

Dass in Köln das Vorschlagsrecht einer der wichtigsten Faktoren ist, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir als Ratsmitglie­der, jeder Einzelne der Ratsmitglieder hier im Raum, in Gänze den kommunalen Wahl­beamten wählen. Nicht eine Fraktion und auch nicht ein sogenanntes Mehrheitsbünd­nis wählt den kommunalen Wahlbeamten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beigeordneten werden vom Rat gewählt. So steht es in § 71 Abs. 1 Satz 3 Gemein­deordnung NRW.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber was bedeutet das für die Praxis? Ein Blick in die Kommentierung und die Recht­sprechung gibt ganz klare Vorgaben. Ich zi­tiere - denn es ist doch wichtig, zu wissen, welche Rechte die Ratsmitglieder hier in diesem Rat haben-:

"Den Mitgliedern der kommunalen Vertretungskörperschaft steht das Recht zu, sich über das Ergebnis der Stellenausschreibung sowie über den Werdegang und die Quali­fikation der Bewerber vor der Ent­ scheidung des Rates frei zu infor­ mieren. Dieser Informationsan­ spruch umfasst alle Bewerber, so­ weit sie nicht aus eigenem Ent­schluss die Bewerbung zurückgezo­ gen haben. Ob und weshalb ein vorgeschlagener Kandidat besser geeignet ist als andere, lässt sich nur bei Kenntnis des gesamten Be­ werberfeldes beurteilen."

Dazu gehören komplette Bewerbungsunter­lagen - auch Lebensläufe, Anschreiben und alle weiteren Unterlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Informationsrecht jedes einzelnen Mit­glieds der Vertretungskörperschaft beinhaltet eine möglichst umfassende Informations­ Möglichkeit. Nur dadurch kann jedem ein­zelnen Mitglied eine praktikable Möglichkeit eröffnet werden, eine eigene und vom Mehrheitsvotum abweichende Vorstellung einzubringen und eine geänderte Beschluss­fassung zu erwirken.

Damit jedes Ratsmitglied auch die notwen­dige Informationsmöglichkeit erhält, darf die Entscheidung über die Wahl des kommuna­len Wahlbeamten nicht alleine in die Hände eines Bündnisses gegeben werden. Dann hat ja sogar die sogenannte Findungskom­mission, die wir auch nicht beschlossen ha­ben, das Vorschlagrecht und entscheidet.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass eine Kommission unter Beteiligung von Ver­treterinnen und Vertretern der Fraktionen und Gruppen gebildet wird. Eine Kommissi­on böte mehr Transparenz und eine breitere Ratsbeteiligung. Es würde uns gut zu Ge­sicht stehen, wenn die Vorbereitung der Wahl aus den Hinterzimmern dorthin geholt wird, wohin sie auch gehört, nämlich hier in diesen Rat.

(Beifall bei der LINKEN)

Insbesondere das Bündnis sollte sich viel­leicht die Frage stellen, ob es von Respekt oder auch von einem tiefen demokratischen Verständnis zeugt, wenn Ratsmitglieder ihre Rechte nicht ausüben können, weil sie von der Vorbereitung der Wahl zum Teil ausge­schlossen werden.

Ich möchte gern anhand einiger Punkte dar­stellen, warum dieser Antrag weiterhin wich­tig ist.

Wird unser Antrag heute nicht beschlossen, besteht die Gefahr, dass am nächsten Mon­tag möglicherweise eine rechtswidrige Ent­scheidung über die Wahl eines Beigeordne­ten für Kunst und Kultur stattfindet, ohne dass allen Ratsmitgliedern die Möglichkeit gegeben wird, alle Bewerbungen vollständig einsehen zu können - und das mit Namen.

Ich möchte hier auch noch Folgendes an­ merken: Als wir zusammen mit Herrn Kockerbeck letzten Freitag Akteneinsicht genommen haben, hatten wir da keine Klar­namen, sondern nur anonymisierte Bewer­ bungsprofile. Insofern werden wir am nächsten Freitag erneut Akteneinsicht nehmen. Ich erwarte, dass zu diesem Zeitpunkt alle Na­men veröffentlicht sind, sodass wir als Ratsmitglieder die entsprechenden Informa­tionsmöglichkeiten haben, um dann auch wirklich entscheiden zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte auf einen weiteren Punkt einge­hen. Frau Oberbürgermeisterin Reker hat einzelnen Ratsmitgliedern gesonderte In­formationen über die Bewerbung von Kandi­datinnen und Kandidaten ermöglicht. Ein solches Verfahren verstößt gegen§ 71 Ge­ meindeordnung.

Frau Reker, Sie haben gesagt, wir könnten selber Namen nennen. Das würden wir ja gerne tun, wenn wir wüssten, wer sich denn beworben hat. Wenn wir nur anonymisierte· Bewerbungsprofile haben, wissen wir das natürlich gar nicht.

Deswegen noch einmal die Bitte: Wenn wir am Freitag erneut Akteneinsicht nehmen, muss es so sein, dass wir Klarnamen haben, dass wir Lebensläufe haben und dass wir wissen, warum sich die Menschen auf diese Stelle beworben haben. Sie können sich gern die Akten noch einmal anschauen. Und deswegen glaube ich - -

(Ulrike Kessing [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist das Recht der Be­werber, sich zurückzuziehen!)

- Das ist richtig. Natürlich hat jeder Bewerber das Recht, seine Bewerbung zurückzuzie­ hen. Diese Bewerbungen meine ich über­haupt nicht. Es geht nicht darum, dass ich mir Bewerbungen anschauen möchte, die Menschen wieder zurückgezogen haben.

Ich möchte gern die Bewerbungen von Men­schen sehen, die sich beworben haben und noch im Bewerbungsverfahren sind. Das ist unser Recht, glaube ich.

Deswegen ist es sehr, sehr wichtig, dass dieser Antrag heute beschlossen wird. Ich denke einfach, dass wir diesen Weg nicht mehr gehen können.

 

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Frau Tokyürek, jetzt ist Ihre Redezeit wirklich abgelaufen.

 

Güldane Tokyürek (DIE LINKE): Ich kom­me gleich zum Ende, Frau Reker. - Ich halte es auch noch für wichtig, demnächst in der Findungskommission gemeinsam Beigeord­nete zu wählen.

(Unruhe) Denn das ist unser Recht.

 

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ih­ re Redezeit ist abgelaufen.

 

Güldane Tokyürek (DIE LINKE): Danke schön.

(Beifall - Unruhe)