Grüne, CDU, Volt bremsen die Gesamtschule Neubrück vorerst aus

Heiner Kockerbeck

In Neubrück wollte die Verwaltung die Hauptschule am Helene-Weber-Platz schließen, um dort eine Gesamtschule zu eröffnen. Dem Rat lag am 10.11. eine entsprechende Beschlussvorlage vor. Sie war monatelang vorbereitet worden und gut begründet. Bereits im Sommer 2023 hätte die Schule für 108 Kinder im 5. Schuljahr starten können

Doch das im Rat regierende Bündnis entschied sich kurz vor dem Schulausschuss am 24.10. gegen die Schließung der Hauptschule. Sachlich ist das unverständlich:

  • Die Hauptschule in Neubrück hatte 2021 nur 35 Anmeldungen im 5. Schuljahr. Ein paar weitere kamen erst hinzu, nachdem die Gesamtschule Höhenberg 136 Kinder ablehnen musste. 3,7 Prozent der Eltern wählten zuletzt stadtweit eine Hauptschule.
  • Viele Eltern und Kinder in Neubrück halten eine Gesamtschule als Stadtteilschule, als Angebot für alle Kinder, für deutlich vorteilhafter, als eine Schule des mehrgliedrigen Systems am Ort. Denn alle Kinder, die letztere nicht besuchen wollen oder können, müssen den Stadtteil verlassen.
  • Hinzu kommt insgesamt der krasse Mangel an Gesamtschulplätzen auf der Schäl Sick. Der Bürgerverein Neubrück hat wiederholt die Nöte der Eltern und Kinder beschrieben, die in Neubrück und Umgebung einen Gesamtschulplatz wünschen.
  • Durch eine Gesamtschule Neubrück würden sich 216 Schulplätze mehr in der Sekundarstufe I ergeben als in der Hauptschule, 234 zusätzlich in der Oberstufe. Und dies, obwohl die Stadt vernünftigerweise nur noch kleinere Gesamtschulen baut, in diesem Fall mit 4 Klassen je Jahrgang. Auch in der Inklusion nähme die Gesamtschule mehr Kinder auf.

Bei dieser Win-Win-Situation ist es unverantwortlich, wenn Grüne, CDU und Volt diesen Ausbau von Schulplätzen einfach ablehnen und die Verwaltung düpieren. Die bisherige gute individuelle Förderung an der Hauptschule würde auch die Gesamtschule leisten können. Aber sie würde Kindern und Jugendlichen mehr Möglichkeiten an Abschlüssen bieten als erstere. In der Ratssitzung ergriff die Kalker Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer das Wort und sagte: Die Menschen in Neubrück wollen eine Gesamtschule. Die sich manchmal als Gestaltungsbündnis bezeichnende Ratsmehrheit erweist sich als Verhinderungsbündnis in Hinsicht auf einen Ausbau von Gesamtschulen.

Das hat tiefere Gründe: Grüne, CDU, auch die FDP wiesen im Schulausschuss wiederholt darauf hin, dass im 7. / 8. Schuljahr die Hauptschule in Neubrück doch dann immerhin drei Klassen bilde. Sie sagten nicht: nur rund 65 Schüler*innen unterrichte. Dass dies immer noch deutlich weniger als die 108 Schüler*innen an der geplanten Gesamtschule wären, sagten sie auch nicht. Aber sie fragten, wohin denn die vom Gymnasium „abgeschulten“ Kinder gehen sollten, wenn es die Hauptschule nicht mehr gibt.

Nach der Erprobungsstufe im 5./6. Schuljahr zwingen die Kölner Gymnasien jährlich rund 450 Kinder, die Schule zu verlassen - mehr als 10 Prozent der aufgenommenen Schüler*innen. Im Fachjargon zynisch als „Abschulen“ bezeichnet, ist dies Jahr für Jahr für viele Kinder eine tiefe Demütigung. Das Land NRW fordert offiziell eine „Kultur des Behaltens“, belässt es aber beim Appell. DIE LINKE fordert seit langem, alle Schulen dazu zu verpflichten, die Kinder, die sie aufnehmen, auch zu einem ersten Abschluss zu führen.

Im Übrigen hat die Verwaltung alle Fragen, die der Schulausschuss stellte, ausführlich beantwortet. Bei bisherigen Schließungen von Hauptschulen in Köln kam es nicht zu den vom Ratsbündnis befürchteten Folgen für Gymnasien und Realschulen, die ebenfalls „abschulen“.

Doch seit Jahren verliert das mehrgliedrige System bei Eltern und Kindern in Köln an Boden. Nicht nur Hauptschulen, auch Realschulen werden weniger nachgefragt. Stattdessen boomen seit langem die Gesamtschulen. Seit Jahren wählen 35 - 40 Prozent der Eltern und Kinder diese Schule. Für 27 Prozent gibt es aber nur Platz.

Letztlich geht es Grünen, CDU, Volt und der sie unterstützenden FDP wohl eher um das Prinzip: Das mehrgliedrige System wird nicht weiter angetastet. Eltern und Kinder, die Gesamtschulen wünschen, sollen sich weiter bescheiden. Für Gymnasien werden dagegen Grundstücke bereitgestellt oder sogar teure Bürogebäude angemietet.

Ganz einig war das regierende Ratsbündnis sich aber doch nicht. Sein im Rat beschlossener Antrag enthält die Ankündigung, dass 2024 noch einmal überprüft werden soll, ob nicht doch besser eine Gesamtschule in Neubrück gegründet werden soll. Haben die Grünen also bei der CDU, die die Sorge um den Erhalt der traditionellen sozialen Hierarchie im Schulsystem seit Jahren umtreibt, doch ein kleines Zugeständnis herausgehandelt.

Vieles spricht dafür, dass die Gesamtschule Neubrück noch nicht endgültig verhindert ist. Die Bürger*innen in Neubrück und Umgebung sind aufgrund der Fehlentscheidung von Grünen, CDU, Volt aufgewacht. Der Bürgerverein kündigte eine Unterschriftenaktion an. Nötig sind jetzt breite gesellschaftliche und politische Koalitionen zur Unterstützung. Der gesellschaftliche Trend hin zur sozial inklusiven Schulform Gesamtschule wird die kommenden Aktionen beflügeln.