Gesamtschule Neubrück wird dringend gebraucht
Rede von Heiner Kockerbeck auf der Ratssitzung am 27. Juni 2024
Die Verwaltung hält angesichts der Anmeldezahlen die Umwandlung der Hauptschule in Neubrück in eine Gesamtschule für eine gute Idee. Die Linke sieht das genauso. Deshalb hat unsere Fraktion die Beschlussvorlage der Verwaltung unterstützt. Die Rede zur Begründung hat Heiner Kockerbeck gehalten.
Zum zweiten Mal nach 2022 hat die Verwaltung eine Vorlage erstellt, die schlüssig begründet, warum im Stadtteil Neubrück im Herzen der Schäl Sick die Hauptschule geschlossen werden kann, um dort eine Gesamtschule zu gründen. Zum zweiten Mal düpiert das regierende Ratsbündnis seine Verwaltung und legt einen gegenteiligen Änderungsantrag darüber. Zum zweiten Mal wird die Entscheidung aber auch um ein Jahr nach hinten geschoben, um dann 2025 noch einmal die Lage neu zu diskutieren.
Das im Rat regierende Bündnis von Grünen und CDU und Volt ist damit erneut entscheidungsunfähig. Es bewirkt Stillstand statt nötiger Veränderung. Die Schulsituation im Stadtteil Neubrück ist so etwas wie die Ost-West-Achse in der Schulpolitik geworden. Seit 2021 sind die Probleme der Hauptschule in Neubrück Gegenstand von Debatten in Schulausschuss und Rat. Seit Jahren wird die Entscheidung vom Bündnis verweigert und auf Zeit gespielt. Allerdings macht nun Volt da nicht mehr mit. Ein erstes Einsehen.
Gegen die Gesamtschule in Neubrück werden überaus schwache Gründe ins Feld geführt, die bei anderen neuen Schulen so nicht gelten. Argumentiert wird mit der Verkehrsanbindung oder Gebäudeproblemen. Während bei anderen Schulgründungen auf die Verwaltung vertraut wird, werden diese Probleme hier als Mittel benutzt, um die unliebsame Gesamtschule zu verhindern.
1. Zur Verkehrssituation: Grüne, CDU und FDP sagen, die Verkehrsanbindung sei für Neubrück zu schlecht, um dort eine Gesamtschule anzusiedeln. Nach den Schulanmeldungen 2024 gibt es aber aus Neubrück 98 Kinder, die den Stadtteil für den Besuch der weiterführenden Schule verlassen müssen, meist mit dem öffentlichen Nahverkehr. Den 98 Kindern wird also zugetraut, dass sie meist mit "Öffis" nach Holweide, Dellbrück, Höhenberg, Brück oder bis in die Innenstadt nach Sülz und Ehrenfeld zu ihrer neuen Schule zu fahren. Aber in umgekehrter Richtung nach Neubrück in die Gesamtschule sollten unüberwindliche Problem mit der Verkehrsanbindung bestehen? Das ist wohl ein schlechter Witz. Das ist zynisch und entlarvend!
2. Die aktuelle Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der LINKEN in der Bezirksvertretung Kalk zeigt insgesamt den großen Bedarf an einer Gesamtschule in Neubrück. Von hier aus und aus den benachbarten Stadtteilen Merheim, Ostheim, Brück werden ab Herbst über 100 Kinder verschiedene Gesamtschulen besuchen - allein aus Neubrück 32 Kinder. Die Katharina-Henoth-Gesamtschule in Höhenberg ist überlastet. Die meisten Kids gehen deshalb an Schulen im Bezirk Mülheim. Die Folge: In den Bezirken Kalk und Mülheim fehlen in diesem Jahr 322 Plätze an Gesamtschulen! Dort abgelehnt, müssen die Kinder notgedrungen auf Schulen des dreigliedrigen Systems ausweichen. Auch um die Gesamtschulen im Bezirk Mülheim zu entlasten ist also eine Gesamtschule in Neubrück, im Herzen des Bezirks Kalk, dringend nötig.
3. Die Menschen im Rechtsrheinischen sind in den letzten Monaten längst für eine Gesamtschule mobilisiert. Über 2400 Menschen haben die Forderung des Bürgervereins Neubrück unterschrieben. Der alternative Ehrenbürger der Stadt, Pfarrer Meurer, hat sich öffentlichkeitswirksam für die Gesamtschule positioniert. Sie brauchen sich nur mit den Unterschriften auf einen der Märkte der Schäl Sick zu stellen und die Menschen unterschreiben in Massen. Mit meiner Partei habe ich es auf dem Vingster Markt ausprobiert. Wenn der Rat diese Stimmung ignoriert, hat er ein Problem. Köln kann es sich nicht erlauben, dass viele Bürger*innen meinen, Politik im Rat werde nur für die Innenstadt und linksrheinische gutbürgerliche Stadtteile gemacht.
4. Seit mehreren Jahren arbeiten Schul- und Bauverwaltung im Rahmen der "Stärkungspakete" daran, dass im Jahr 2025 zwei Gesamtschulen im Stadtbezirk Kalk starten. Denn diese beiden werden dort dringend gebraucht.
Aber kürzlich musste die Verwaltung bekanntgeben: Für 2025 wird es nur mit einer von den beiden klappen. Die eine muss dazu auch noch in Deutz, im Gebäude des neuen Gymnasiums, provisorisch starten. Die zweite geplante Gesamtschule könne dann frühestens 2033 ihre Tore öffnen. Warum? Weil die Stadt vorher kein Grundstück dafür hat und der Investor, mit dem sie verhandelt, will seines nicht früher hergeben. Jetzt rächt sich, dass die Stadt sich im Schulbau so stark von privaten, teuren Investoren abhängig macht.
In dieser Notlage ist es wenigstens konsequent, wenn die Verwaltung sagt: Wir gründen die zweite Gesamtschule für den Bezirk Kalk jetzt in Neubrück.
5. Wer im Ratsbündnis den Anspruch hat, wirklich viele Schulplätze an Gesamtschulen und für die Inklusion zu schaffen - wie immer beteuert wird -, müsste doch auch sehen: Eine Gesamtschule am Helene-Weber-Platz in Neubrück schafft Schulplätze für 108 Kinder je Jahrgang gegenüber 72 an der Hauptschule. Und auf diese 72 Plätze gab es 2024 wieder einmal nur 19 Anmeldungen.
Bei aller guten Arbeit der Kollegiums an der Hauptschule: Die Situation der Schule ist schwierig. Wenn die Anmeldungen unter 18 fallen, muss die Stadt Köln die Schule aus gesetzlichen Gründen sogar schließen. Die bisherigen Lehrer*innen der Schule könnten dagegen ihre gute Arbeit auch an einer neuen Gesamtschule weiterhin leisten.
6. Die Devise von Grünen, CDU und FDP heißt aber offenbar: Probleme im Schulsystem Kölns auszusitzen. Langjährige deutliche Veränderungen im Wahlverhalten der Eltern werden ignoriert. In diesem Jahr wählten wieder nur 3 % der Eltern und Kinder in Köln eine Hauptschule. Insgesamt wurden an Hauptschulen und Realschulen zusammen 1.160 Plätze von Februar bis Mai nicht besetzt. Das ist eine unglaubliche Zahl: 1.160 Schulplätze, während an Gesamtschulen und Gymnasien Kinder abgelehnt werden. Das ist eine unverantwortliche Verschwendung an städtischen Ressourcen. Und es zeigt: Das dreigliedrige Schulsystem ist in einer Krise. Haupt- und Realschulen verlieren an Boden.
Gesamtschulen fördern Kinder aller sozialer Schichten, auch die aus Familien mit geringerem Einkommen und ohne akademische Bildung. Deshalb boomt diese sozial inklusive Schulform seit über zehn Jahren in Köln. Aber Jahr für Jahr fehlen Plätze. Liebe Grüne, ihr habe hier ebenso wie beim Wohnen eine beträchtliche soziale Schieflage in eurer Politik. Mit der Ablehnung der Schließung einer Hauptschule leistet ihr euch gerade den Kampf um die Erhaltung des dreigliedrigen Systems. Dieses System vertieft, wie viele Studien belegen, die soziale Spaltung unserer Gesellschaft. Wer diese bekämpfen will, muss in der Bildungspolitik den Anteil der Gesamtschulen beträchtlich erhöhen.
Der heutige Änderungsantrag von Grünen, CDU und FDP macht weiter im Punkt 4 geradezu erschreckende Vorschläge für Standorte an der Frankfurter Straße oder auf dem Grundstück des Schulzentrums Ostheim. Das ist längst diskutiert. Der Bauhof an der Frankfurter Straße liegt zu nahe bei der Gesamtschule Höhenberg. Das ergibt keine gute räumliche Verteilung. In Ostheim soll ferner eine Gesamtschule möglicherweise auf das gleiche Grundstück, auf dem sich schon eine Realschule und ein Gymnasium befinden. Das erweckt den Verdacht, dass die zweite Gesamtschule in Kalk bewusst an die Wand gefahren werden soll. Im Linksrheinischen haben wir mit einer solchen Zusammenballung von mehreren Schulen in Vogelsang ganz schlechte Erfahrungen gemacht.
Zum Schluss möchte ich hier deshalb den Antrag stellen, dass über die ursprüngliche Verwaltungsvorlage für die Schließung der Hauptschule und die Gründung einer Gesamtschule (Vorlage 1562/2024) abgestimmt wird. Damit hat jedes Ratsmitglied die Möglichkeit in sich zu gehen und doch für die dringend benötigte Gesamtschule Neubrück zu stimmen.
Die Grünen und die CDU haben zusammen mit der FDP diese Abstimmung verhindert. Stattdessen wurde über den Beschluss des Schulausschusses abgestimmt. Dort hatten diese drei Parteien einen Beschluss durchgesetzt, der eine mögliche Gesamtschulgründung an dem Standort, wenn überhaupt, weit in die Zukunft verschiebt. Die Ursprungsvorlage dagegen sah eine Gesamtschulgründung schon 2026 vor. Die Linke stimmte ebenso wie die SPD, volt (die mit ihrem Stimmverhalten aus der "Regierungskoalition" ausscherten), Die Fraktion und das Einzelmitglied Thor Zimmermann dagegen. Doch die Gegner einen schnellen Gesamtschulgründung in Neubrück waren in der Mehrheit.