Zur Kritik an der Beschlussvorlage Ost-West-Achse - Alles spricht für oberirdisch

Angela Bankert

Zur Erinnerung: Ausgangspunkt für das ganze Projekt war die Erhöhung der Beförderungskapazität auf der Ost-West-Achse. Doch der Tunnel bringt keinerlei Kapazitätserhöhung gegenüber der oberirdischen Lösung. Das ist weder borniert noch „ideologisch“, das ist Fakt.

Das können auch die Tunnel-Befürworter nicht bestreiten und schieben wohl darum  andere Aspekte in den Vordergrund: Stadtraum-Entwicklung, Störungen des Bahnverkehrs, bis hin zu Karneval und CSD.

Die meisten Kriterien sprechen für oberirdisch

Die tabellarische Darstellung des Kriterienkatalogs ist von der Verwaltung mittlerweile nachgebessert worden. Zuvor fehlten entscheidende Kriterien wie Baukosten, Bauzeit, Archäologie. Alle Nutzen-Aufwand-Kriterien zusammen ergeben quantitativ 24:20 zugunsten der oberirdischen Lösung.

Nach wie vor sind dabei Themenbereiche, die eher zugunsten des Tunnels ausgehen, zu mehreren Kriterien aufgeblasen: 8 Kriterien zur Stadtraum-Entwicklung und 5 zu den Querungsverkehren. Anders als die Verwaltung behauptet, gibt es für die Auswahl dieser konkreten 13 Kriterien keine Aufträge aus früheren Ratsbeschlüssen.

Außerdem müssen die Kriterien natürlich auch gewichtet werden. Dies hat die Verwaltung explizit nicht vorgenommen, es sei Sache der Politik. So liegt auf der Hand, dass die „Blickbeziehungen“ zu historischen Gebäuden wie dem Hahnentor nicht genauso schwer wiegen wie etwa die Barrierefreiheit.

Fazit: Quantitativ, und erst recht qualitativ sprechen die Entscheidungskriterien für oberirdisch.

Kosten und „bis zu 95 % Fördergelder“

Die Baukosten der Tunnelvariante liegen jetzt schon bei 1,4 Milliarden Euro brutto. Hingegen liegt die oberirdische Variante bei nur 220 Millionen Euro brutto.

Die Fördermittel beziehen sich immer nur auf die veranschlagten Kosten bei Baubeginn. Spätere Kostensteigerungen, die absolut sicher sind, bleiben überwiegend bei der Stadt hängen.

Bei der Nord-Süd-Stadtbahn stieg der städtische Eigenanteil - OHNE die Kosten des Stadtarchiv-Unfalls - von 55 Millionen Euro auf über 1 Milliarde Euro an. (Verwaltungsmitteilungen 3335+3336/2015).

Fahrtzeit ist nicht gleich Kunden-Reisezeit

Auch unter den günstigsten Annahmen - z.B. 55-70 km/h Geschwindigkeit im Tunnel - ergibt die KVB-Betriebssimulation nur einen Fahrtzeitgewinn von 3 bis 4 Minuten. Von diesem Zeitvorteil haben nur diejenigen Fahrgäste etwas, die über die Innenstadt hinausfahren wollen.

Die meisten Fahrgäste wollen in die Stadt. Wer in der City aus- und einsteigen, muss bis zu 4 Tiefetagen überwinden. Jeder mögliche Zeitgewinn ist damit wieder hinfällig.

Stadtraum-Entwicklung und Querungen

Eine Verschlechterung im Stadtraum ergibt sich durch die Tunnelrampen. Eine drastisch verschärfte Trennwirkung entstünde am Heumarkt sowie im Mauritiusviertel.

Auch bei der oberirdischen Variante werden Autoverkehr und Parkplätze im Seitenraum drastisch reduziert, die Auto-Umfahrung um den Neumarkt unterbunden und der Platz an das Aposteln-Viertel angeschlossen.

Das reduziert auch Störungen und Unfälle bei der Stadtbahn auf dem Stück zwischen Heumarkt und Moltkestraße, die laut Polizei zu 50 % vom Autoverkehr verursacht werden. Laut Polizei ist der Abschnitt auch kein Unfallschwerpunkt.

Eine attraktive Gestaltung des Neumarkts ist möglich, erst recht wenn die Variante 8.2. mit versetzten Haltestellen zum Zug kommt. Die Straßenzüge im Innenstadtabschnitt können boulevard-ähnlich gestaltet werden. Straßenbündige Haltestellen mit grünen Gleisen sind leicht zu queren und bilden stadträumlich keine Blockaden. Stadtbahnen müssen in dem kurzen Innenstadtabschnitt langsamer fahren. Ein Miteinander von Bahn-, Rad und Fußverkehr ist möglich, wie man in vielen anderen Städten sieht, wie Freiburg, Augsburg, Zürich.

Bauzeit

Die angegebene Tunnelbauzeit ist massiv geschönt. Die Denkmalpflege hat einen Bericht verfasst, der deutlich macht, was in diesem Kernsiedlungsbereich alles unter der Erde liegt. Den Zeitraum für die Bergung der zahlreichen und vielfach sehr wertvollen Bodendenkmäler schätzt die Archäologische Bodendenkmalpflege auf 10 Jahre.

Und die Verwaltung schätzt die Gesamtbauzeit auf - ebenfalls 10-12 Jahre! Das hat bei der Nord-Süd-Bahn schon nicht funktioniert und ist einfach nur dreist. Tatsächlich wird die Innenstadt voraussichtlich für zwei Jahrzehnte aufgerissen, mit entsprechenden Kollateralschäden für Handel und Gastronomie.

Treibhausgasemissionen

Für den Bau des Tunnels gibt die Verwaltung 283.000 t CO2 Emissionen an, mit angenommenem technischen Fortschritt angeblich weniger.

Köln hat den Klimanotstand ausgerufen und will bis 2035 klimaneutral sein. Die Emissionen fallen vor und während der Bauzeit an, und nicht über die Amortisations-Dauer von 80-100 Jahren Lebenszyklus eines Tunnels. Damit würden die Klimaziele gerissen.

Personalressourcen

Käme der Tunnel, wären enorme Personalressourcen gebunden, die für eine echte Verkehrswende dringend gebraucht werden. Schon jetzt werden viele Beschlüsse aus Personalmangel nicht umgesetzt,

Allein bis zur Planungsphase LP6 werden laut Verwaltung 28 zusätzliche Stellen benötigt, von denen erst 5 besetzt sind. Ein dramatisch höherer Personalbedarf entsteht aber während der Bauzeit. Jüngst teilte die Verwaltung mit, man könne die Verlängerung der Linie 13 zum Rhein personell leider nicht stemmen. Umso absurder ist es, an den Tunnelplänen festzuhalten.