Wohnungspolitik ist der Schlüssel für die Soziale Frage und eine gute Entwicklung in Köln

Jörg Detjen

Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2018 in der Ratssitzung am 07.11.2017

Sehr geehrter Frau Oberbürgermeisterin,
meine Damen und Herren,

es sollte kein Kürzungshaushalt werden, war von der Oberbürgermeisterin und von der Kämmerin zu hören. Mit ein paar Ausnahmen stimmte das auch. Da trat das Jamaika-Bündnis auf den Plan. Ohne mit der Oberbürgermeisterin, der Kulturdezernentin und der Akademie der Künste der Welt zu sprechen, wurde hinterrücks und handstreichartig der Betriebskostenschuss gegenüber dem Ansatz von einer Mio. Euro auf 600.000 Euro gekürzt. Mit dieser Kürzung gefährdet das Jamaikabündnis die Arbeit der Akademie und womöglich ihre Existenz.

Die Kulturförderabgabe, die CDU und FDP immer abgelehnt hatten, verkommt jetzt zum Spielgeld des Jamaika-Bündnisses. Damit muss Schluss sein! Wir fordern eine Debatte mit den Kölner Kulturschaffenden, damit die Vergabe der Mittel der Kulturförderabgabe in Zukunft offen und transparent stattfindet!

DIE LINKE will nicht nur nicht kürzen, sondern wir wollen die sozialen Probleme benennen und anpacken. Wir wollen gestalten! Die FAZ erschien in der letzten Woche mit einem Artikel zur Lage der deutschen Wirtschaft mit der Überschrift: "Deutschland glänzt vor allem an der Oberfläche". Ich zitiere:
"... seitens der öffentlichen Hand fehlen dringend nötige Infrastrukturinvestitionen - und zwar in Straßen genauso wie in den digitalen Netzausbau. Der Fachkräftemangel macht der Wirtschaft schon heute zu schaffen, viele Unternehmen suchen händeringend nach Personal. Und im internationalen Bildungsvergleich, etwa von der Industriestaatenorganisation OECD, fällt die Bildungspolitik weit hinter vergleichbar wohlhabende Staaten zurück." (1)

Meine Damen und Herren,
die Stadt Köln hat ein doppeltes Problem: Zum einen fehlt es an Mitteln für Infrastruktur, Soziales und Bildung. Verantwortlich hierfür sind Bund und Land, die über Jahre die öffentlichen Haushalte ausgeblutet haben. Zum anderen fehlen der Stadt Köln für die eigene Verwaltung die notwendigen Fachkräfte. Wir brauchen eine garantierte, finanzielle Mindestausstattung der Kommunen als einen Schutzschild gegen die Schuldenbremsen. Ab 2020 müssen Bund und Land diese Schuldenbremsen einhalten. Die Gefahr ist, dass Land und Bund Kosten auf die Kommunen abwälzen, um ihre Schuldenbremse einzuhalten.
Und wenn ich mir die Jamaika-Verhandlungen in Berlin ansehe, werden sie Köln und das hiesige Jamaika-Bündnis im Regen stehen lassen.

In Köln lebten 2011 ca. 30.300 Kinder in Armut. Seitdem sind mindestens 2.200 Kinder dazu gekommen. Das sollte uns alarmieren.
Und im neusten Bericht der Bertelsmann-Stiftung vom 23. Oktober steht: "Ein Muster zeichnet sich aus durch wiederkehrende Armutserfahrung, hauptsächlich in Form von Einkommensarmut, die es zwischenzeitlich, aber nicht dauerhaft zu überwinden gelingt (Prekäre Einkommenslage)." (2)

Diese Einkommensarmut zu überwinden, gelingt deshalb nicht, weil der neo­liberale Zeitgeist und die Rechtsentwicklung mit Jamaika in Deutschland und in Köln die Interessen der Reichen und der Mittelklasse im Auge haben. Die Interessen armer Menschen interessiert wenig.
Der Hinweis im Kinderarmutsbericht auf die "prekäre Einkommenslage", bestätigt uns noch einmal, dass der Ratsantrag zum Köln-Pass ein richtiger Schritt wäre, mehr Leuten in prekären Einkommenslagen die Vergünstigungen er ermöglichen. Danke an SPD und Piraten, dass sie diesen Antrag mitgestellt haben, den Jamaika gleich ablehnen wird.
Und die Kölner Grünen irren, wenn sie eine dicke Backe machen und meinen, wir könnten froh sein, dass es den Köln Pass noch gäbe.

Die sozialen Verwerfungen haben in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Im Zusammengang mit dem Bundestagswahlergebnis hat der frühere Kölner Wahlforscher Dr. Armin Schäfer auf eine zusätzliche Forschung im Rahmen der Lebenslagenberichterstattung hingewiesen:
"Sozial benachteiligte Gruppen merken, dass ihre Anliegen kein Gehör finden, und [wenden] sich deshalb von der Politik ab" und die Politik "[orientiert] sich in der Folge noch stärker an den Interessen der Bessergestellten [..]. Das für die USA nachgewiesene Muster von systematisch verzerrten Entscheidungen trifft auch auf Deutschland zu." (3) US-Präsident Trump lässt grüßen.

Kölnerinnen und Kölner mit prekären Einkommen müssen zusätzlich auch noch hohe Mieten zahlen, weil es keine preisgünstigen Wohnungen gibt. Jürgen Becher, der 46 Jahre für den Mieterverein arbeitete, und zum Schluss der Geschäftsführer war, sprach von der Folge von Versäumnissen über die letzten Jahre und - so Jürgen Becher: "Jetzt stehen wir vor einem Dilemma."

Die Wohnungspolitik ist für die LINKE nicht nur eine soziale Frage, sondern der Schlüssel für eine gute Gesamtentwicklung in Köln. Deshalb haben wir in unseren Haushaltsansatz allein für 2018 22 Mio. Euro dafür eingestellt, dass die Stadt mehr bauen soll, und zwar in Köln und in der Region, und auf diese Weise dafür sorgt, dass die Mieten nicht weiter durch die Decke schießen. Sicher könnte man sich über Details, die wir vorschlagen, trefflich streiten. Das würden wir ja auch gerne machen. Aber das Jamaika Bündnis stellt keinen Pfennig für Wohnungsbau in den Haushalt, da gibt es nichts, worüber man sich auseinandersetzen könnte. Da herrscht die totale Leere und die neoliberale Vorstellung der FDP, der Markt wird es schon richten, macht sich bei Jamaika breit.

Seit einigen Jahren machen sich Fonds von Konzernen und Banken breit und ziehen Grundstücke und Wohnungen an sich. Der Verkauf von 400 Wohnungen der GAG in Wesseling an die Degussa-Bank ist dafür nur ein Beispiel. Diese Finanzjongleure haben so viel Geld, die wissen nicht wo hin damit.
Die parken ihr Geld jetzt zwischendurch in Wohnungen, kümmern sich nicht um den Bestand, erhöhen die Mieten und schmeißen die Wohnungen dann wieder auf den Markt.

Deshalb müssen wir dagegensteuern. Auch wenn das sehr schwer ist. Deshalb tritt die LINKE dafür ein, dass städtische Grundstücke mit einer Konzeptvergabe und sozialen Standards, wie z.B. einem hohen, langjährigen Anteil von preiswerten, geförderten Wohnungen mit sozialen Strukturen bei der Vermietung, vergeben werden.

Köln und die Region bilden eine Metropole, zu der auch eine Mobilität für alle sozialen Schichten gehört. Köln kann seine Probleme nur im Diskurs und im solidarischen Miteinander in der Region lösen. Davon können alle was haben. Wir müssen die Metropole verändern und gestalten. Das können wir erreichen, indem wir in Wohnungen investieren, in eine Verkehrswende, Bildung und Daseinsvorsorge und indem wir die Bedingungen für neue Arbeitsplätze in Köln verbessern.

Ein planmäßiger, rascher Ausstieg aus der Braunkohle in der Region ist unverzichtbar und eine gewaltige Herausforderung. Das interessiert aber in Köln nur einige Ökofachleute. Ein schwerer Fehler, es wird zu dramatischen Veränderungen in der Region kommen und das wird auch Köln treffen.
25.000 Arbeitsplätze werden in der Region von der Stilllegung betroffen sein. Diese Menschen brauchen eine Zukunft. Die Gefahr ist groß, dass der ländliche Raum noch weiter an Einwohnern verliert und der Druck auf Köln noch größer wird. Deshalb brauchen wir Lösungsansätze!

Wir brauchen einen guten und preiswerten ÖPNV in der Region und wir brauchen mehr Radwege. Und wir brauchen auch kleine Lösungen wie Radverkehrsbeauftragte für jeden Stadtbezirk und Busspuren z.B. am Clevischen Ring. Nur so wird es saubere Luft in Köln geben und ein Ende des Verkehrsinfarktes, den wir inzwischen fast jeden Werktag in Köln erleben.

Regional denken heißt auch den Problemen ins Auge sehen. Wenn nach dem Polizei-Symposium zu "Silvester 2016/17" klar ist, Flüchtlinge aus der Region wollten in Köln feiern, so muss uns das zu denken geben und es muss auch gehandelt werden. Die Verwaltung ist nicht dazu da, Konflikte zu verwalten, sondern Lösungswege aufzuzeigen und zu entwickeln. Immerhin hat die schroffe Kontroverse über eine Silvesterveranstaltung dazu geführt, Frau Oberbürgermeisterin, dass Sie in der ersten Woche der Herbstferien soziale Akteure an den Tisch gebeten haben, um gemeinsam über präventive Maßnahmen auch mit der Region zu beraten.

Es ist bemerkenswert, wie sich in dieser Frage die Teile des Jamaika-Bündnisses winden und welch abstruse Argumente vorgebracht wurden. Meine Damen und Herren, die Stadt Köln plant ein Silvesterevent um den Dom. Wir möchten, dass dieses Event attraktiv und inklusiv wird!

Finanzielle Mittel in Integration und gute und kostenlose Bildung, möglichst inklusiv, sind wichtige Investitionen für die Entwicklung der Region Köln. Wir fordern von Bund und Land, dass die Mittel für die Versorgung der Geflüchteten und für Integration vom Bund zu tragen werden. Mittel für Integration und Bildung müssen bereitgestellt werden.

Wir, die LINKE, haben 6,7 Mio. Euro für die Bildung in unseren Veränderungsnachweis eingestellt. Beitragsfreiheit bei der Kita wieder von 12 auf 18 Monate, ausreichendes Personal, mehr Mittel für Schulsozialarbeit. Bessere Ausstattung für den Offenen Ganztag.

Mehr Geld für die Menschen zu investieren, sollte im Mittelpunkt stehen. Eine inklusive Integration und Bildung können die Kommunen im Rheinland nicht alleine stemmen. Dazu müssen Mittel vom Land bereitgestellt werden. Den Bund dürfen wir auch nicht außen vorlassen. Lassen Sie uns gemeinsam, parteiübergreifend darum kämpfen, dass die Kommunen mehr finanzielle Mittel erhalten!

DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch größer wird. Wir müssen darum kämpfen, dass die im Grundgesetz gebotenen "gleichwertigen Lebensverhältnisse" wiederhergestellt werden. Soziale Spaltung ist der Nährboden, auf dem rassistische und nationalistische Gruppen und Parteien gedeihen.
Sie waren nie ganz weg und kamen dann wieder zum Vorschein, als die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wurde.