Standards der Inklusion weiter abgeräumt?

Heiner Kockerbeck
AK Gesundheit und InklusionAK Jugend und Schule2021 Schwerpunkt Bildungsgerechtigkeit

Die schlechte personelle und räumliche Ausstattung der Inklusion ist seit Jahren bundesweit in der Kritik. Eine Anfrage der SPD förderte am 22.11. im Schulausschuss zutage, dass der Mangel an Gesamtschulen in Köln nun die Bedingungen weiter verschärfen kann.

Landesweit ist seit Jahren ein Anstieg der Zahlen von Kindern mit sonderpädagogischer Förderung zu beobachten. Ein Grund: Viele Eltern, viele Lehrende ergreifen mit der Einleitung eines solchen Diagnoseverfahrens den letzten Strohhalm. Kinder sollen eine leichte Verbesserung der ansonsten systemisch schlechten Unterstützung Einzelner an Schulen erhalten.

In Ihrer Antwort auf die SPD-Anfrage schreibt die Verwaltung, dass in NRW, damit auch in Köln, im Jahrgang 5 2022 rund 5 Prozent mehr Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf erwartet werden. Dies betrifft insbesondere die Gesamtschulen. Sie unterrichten in Köln absolut wie relativ den größten Anteil der Förderkinder. Dies trifft aber auch alle Hauptschulen und die inklusiv arbeitenden Realschulen. Die Gymnasien dagegen wurden 2018 von der CDU-FDP-Landesregierung aus dem Gemeinsamen Lernen (GL) weitgehend herausgenommen.

Nun überlegt die Kölner Schulverwaltung: „Um der zunehmenden Knappheit von Plätzen im Gemeinsamen Lernen zu begegnen“, sollen an „einzelnen Gesamtschulen“ um 25 % mehr GL-Lernende aufgenommen werden: Vier statt bisher drei je Klasse. Ob es zukünftig bei „einzelnen Gesamtschulen“, wie es heißt, bleibt, wäre natürlich offen. Von verstärkten Investitionen in inklusive Schulen ist jedenfalls keine Rede.

Erstaunlicherweise bekennt die Verwaltung auch: „An vielen Haupt- und Realschulen wird dies bereits praktiziert.“ Das wussten im Schulausschuss zumindest nicht alle. Die Verschlechterung von Standards soll sich also nun weiter ins Schulsystem (abgesehen vom Gymnasium) fressen. Es fällt auf: Die Verwaltung verzichtete darauf, alle Ratsparteien frühzeitig auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen. Sollen diese das doch selbst per Anfrage herausfinden.

Rechtlich ist diese Praxis übrigens möglich, wenn die Bezirksregierung die Erhöhung um 25 Prozent genehmigt. Und wenn die Bezirksregierung hierfür die Personalzuweisung für Schulen erhöht. Dies erweckt den Eindruck, als wenn der Personalschlüssel nicht angetastet würde. Aber erstens ist es in Fachkreisen Allgemeingut, dass der Arbeitsmarkt für Sonderpädagog:innen leergefegt ist. Zweitens spricht niemand von mehr Räumen und mehr Sachmitteln für Schulen mit wachsenden Aufgaben. An den Gesamtschulen wäre dies alles sehr nötig, da sie in Köln die einzige Schulform sind, die sich der anspruchsvollen Aufgabe stellt, Kinder mit geistiger Beeinträchtigung aufzunehmen.

Die Alternative sollte sein: Wenn die Gesamtschulen qualitativ und quantitativ den wichtigsten Beitrag zur Inklusion zu leisten, dann muss es in Köln mehr von ihnen geben. In allen Teilen der Stadt müssen durch neu gegründete Gesamtschulen diese endlich gut erreichbar sein, als sozial integrative und inklusive Stadtteilschulen. Jeder der neun Stadtbezirke Kölns braucht mindestens eine neue Gesamtschule. Zweitens müssen auch die Gymnasien ihren Beitrag zum Gemeinsamen Lernen leisten. Das nützt auch der Pädagogik an Gymnasien.

Im nächsten Jahr bietet sich die Chance, der jetzigen Landesregierung die Quittung für ihre auf verschiedenen Feldern verfehlte Schulpolitik zu geben. Aber auch SPD und Grüne müssen zeigen, dass sie aus Fehlern der Vergangenheit lernen wollen. DIE LINKE wird sich für mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Lernbedingungen einsetzen.