Den alltäglichen Rassismus nicht mehr hinnehmen

Güldane Tokyürek

Der Tod des schwarzen US-Amerikaners Georg Floyd hat viele Menschen in aller Welt aufgewühlt. Er starb, weil ein weißer Polizist dem auf dem Boden liegenden Mann fast neun Minuten lang das Knie auf den Hals drückte. Von Passanten aufgenommene Handyvideos legen nahe, dass der Polizist seinen Tod zumindest in Kauf nahm, wenn nicht bewusst herbeiführte. Dass der mutmaßliche Mörder ein Polizist im Dienst war, steigert die Monstrosität des Verbrechens für viele noch. Denn Polizist*innen haben die Aufgabe, Menschen zu schützen und die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Dieser tödliche, offensichtlich rassistische Angriff versammelte auch in Köln tausende Menschen. Mehr als 10.000 waren es, die sich am 6. Juni zu einer Kundgebung auf der Deutzer Werft trafen. Die Veranstalter hatten mit 500 gerechnet.

Diese Veranstaltung legte das Augenmerk besonders auf die Diskriminierung, denen People of Colour ausgesetzt sind. Durch ihre Hautfarbe können sie ihr visuelles „Anderssein“ nicht verstecken, auch wenn sie seit Generationen Deutsche sind. Allein ihr Aussehen definiert sie für viele Menschen als nicht zugehörig.

Immer wieder berichten Menschen mit Migrationshintergrund davon, gefragt zu werden, wo sie denn herkommen. Nennen diese dann den Namen einer deutschen Stadt, präzisiert das Gegenüber: Aber woher eigentlich?

Auch wenn diese Frage von einigen Fragestellern nicht böse gemeint ist, rassistisch ist sie trotzdem. Sie spiegelt dem Befragten nämlich, dass der Fragesteller der Herkunft ein großes Gewicht beimisst. Es ist nicht so interessant, welchen Beruf der Gefragte hat, womit er sich gerne in seiner Freizeit beschäftigt oder wie er politisch tickt: Das wichtigste Merkmal ist die Abstammung, selbst wenn sie für den Befragten in seinem Alltagsleben kaum eine Rolle spielt.

Mit dieser Haltung sind fast alle Menschen mit Migrationshintergrund schon konfrontiert worden, die Enkel der im 2. Weltkrieg vertriebenen Deutschen aber nicht. Hier ist es irrelevant, ob der Uropa vom Balkan oder aus Ostpreußen stammt. Das wird nicht als identitätsbildend angesehen.

Viele Menschen in Deutschland – egal welcher Herkunft – haben das Gefühl, dass nun endlich Schluss sein muss mit der Einteilung in „Wir“ und „Ihr“. Wenn Menschen von außen in eine Gruppe gesteckt werden, grenzt sie das aus. Meistens wird die Gruppe dann abgewertet.

Schwarze Menschen werden gezielt durch die Verwendung des N*Wortes verletzt und diffamiert. In der Mai-Sitzung hat der Kölner Stadtrat auf Anregung des Integrationsrates beschlossen, das N*Wort als rassistisch anzuerkennen und darauf hinzuwirken, dass sein Gebrauch in Köln unterbleibt. In der Begründung des Integrationsrates heißt es: „„Das N*Wort wird von vielen schwarzen Menschen und People of Color (PoC) mit Leid, Diskriminierung, Gewalt, Ungleichheit und Entmenschlichung verbunden. Mit dem N*Wort sind eine Vielzahl von rassistischen Stereotypen verbunden. Diese Stereotypen umfassen Sexualrepression, wie Triebhaftigkeit und Naturhaftigkeit, Kulturlosigkeit, Viktimisierung, Infantilisierung sowie Entfremdung (Othering) und führen zu Ohnmachtserfahrungen und psychischen Folgen.

Als europäisches Konstrukt der Kolonialzeit wurde es verwendet, um eine rassistische Unterscheidung herzustellen, Machtverhältnisse zu untermauern und unterdrückende Strukturen zu festigen. Diese Erfahrungen sind auch weiterhin im Bewusstsein verankert. Auch wenn in der jüngeren Zeit vermehrt das N*Wort in satirischen oder komödiantischen Kontexten auftaucht, darf dies nicht über die Verletzungen hinwegtäuschen, die damit einhergehen.“

Fast alle Ratsmitglieder haben dem zugestimmt. Es ist entlarvend, dass sich lediglich die AfD enthalten hat.

Auch gesellschaftliche Initiativen greifen in den Kampf gegen Rassismus insbesondere gegenüber schwarzen Menschen ein. Das antifaschistische Bündnis „Köln stellt sich quer“ plant eine große Demonstration am 28. August. An diesem Tag jährt sich der „Marsch auf Washington“ zum 57. Mal. 1963 zogen eine Viertelmillion Menschen zum Regierungssitz, um Bürgerrechte für die schwarze community einzufordern und für Gleichberechtigung unabhängig von der Hautfarbe einzutreten. Berühmt geworden ist dieses Ereignis auch durch die „I Have a dream“-Rede Martin Luthers.

Diese Demonstrationen sind ein großartiger Akt der Selbstermächtigung. Alle konnten sehen, wie viele Menschen von Alltagsrassismus betroffen sind, und wie groß das Problem ist. Aber auch für Unterstützer ist wichtig, sich auf solchen Demonstrationen solidarisch zu zeigen und dazu beizutragen, dass möglichst viele kommen. So senden wir an diejenigen, die sich mit alltäglichem Rassismus konfrontiert sehen das Zeichen, dass sie nicht alleine sind. Und es wird deutlich, dass man nicht selbst betroffen sein muss, um zu erkennen, Rassismus ist für uns alle schlecht. Er schafft ein Klima des Hasses, der Angst und der Ausgrenzung. In solch einer Gesellschaft können nur diejenigen unbeeindruckt leben, die total ignorant oder insgeheim damit einverstanden sind.

Doch ab und zu Solidarität zu zeigen, reicht nicht aus. DIE LINKE möchte auch auf kommunalpolitischer Ebene allen Formen des Rassismus entgegentreten. Ein Thema, gegen das wir uns immer wieder engagieren, ist das racial profiling der Polizei. Das meint die gezielte Kontrolle nur von Menschen, die durch äußere Merkmale als Mitglieder einer ethnischen Gruppe gelten. So haben wir gegen die Kontrollen ausschließlich „nordafrikanisch“ aussehender Menschen um den Hauptbahnhof protestiert und Stellung bezogen gegen den mutmaßlichen „Anti-Terror-Einsatz“ im Sommer 2019 im Kölner Hauptbahnhof. Damals sind mehrere junge Männer in der traditionellen Ramadanbekleidung schnell durch den Hauptbahnhof gelaufen, um ihren Zug zu erwischen. Sie wurden von bewaffneten Polizisten auf den Boden geworfen und mehrere Stunden festgehalten. Das wollte DIE LINKE der Polizei nicht unwidersprochen durchgehen lassen. Die Reaktion der anderen politischen Kräfte in dieser Stadt: Schweigen oder Unterstützung für dieses Vorgehen.

Solange es so Wenige für diskussionswürdig halten, wenn Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihres „fremdartigen“ Aussehens unter solchen drastischen Maßnahmen zu leiden haben, solange gibt es bei uns noch viel zu tun. Wir bleiben fleißig.