Megatunnel ist kein großer Wurf

Angela Bankert

Da wäre das Tunnelkartell aus CDU/SPD/FDP beinahe selbst in die Grube gefallen, die sie für andere gegraben haben. Das rechtswidrige und hinterhältige Vorgehen, sechs Jahre Planung über Bord zu werfen und einen komplett neuen Antrag für einen Megatunnel innerhalb von sechs Tagen durch Ausschuss und Rat zu peitschen, ist durch die Kommunalaufsicht gestoppt worden. Auch der Beschluss des Verkehrsausschusses vom 10. Dezember mit (7:6 pro Tunnel) ist hinfällig.

Das Vorgehen der Tunnelparteien und der Oberbürgermeisterin, die den Antrag behandeln lassen wollte, drückt eine hochgradige Verachtung gegenüber den demokratischen Prozessen in den Ratsgremien wie auch gegenüber der Beteiligung der Zivilgesellschaft aus.

Damit ist das Wahnsinnsvorhaben aber nicht vom Tisch, sondern wird als ordentlicher neuer Antrag in den Verkehrsausschuss am 28. Januar und in die Ratssitzung am 13. Februar 2025 eingebracht werden.

Was sieht der neue Antrag vor?

Statt 2,7 km Tunnel und 3 unterirdische Haltestellen sollen jetzt 7,4 Tunnelkilometer und 7 unterirdische Haltestellen ausgebaut werden: Vom Deutzer Bahnhof unter dem Rhein her bis Melaten, und ein Abzweig unter dem Aachener Weiher und der Dürener Straße her. Statt 1,4 Mrd. Euro brutto, wie für den kürzeren Tunnel berechnet, werden es mehrere Milliarden werden. Baubeginn irgendwann in den 30er Jahren, Fertigstellung frühestens in den 50er Jahren.

Die oberirdische Trasse soll erhalten bleiben und zunächst von der Linie 7 befahren werden, von Porz über die Deutzer Brücke, und ab Neumarkt auf dem Linienweg der 9 bis Sülz.

Verkehrsdezernent Egerer teilte im Verkehrsausschuss mit, dass bei Beschluss des Antrags von CDU/SPD/FDP von der bisherigen Planungsarbeiten nahezu nichts verwendet werden kann. Die gesamte Planung müsse von „auf Null gesetzt“ und neu begonnen, Kosten und Förderfähigkeit neu ermittelt werden. Das bedeutet: Stillstand für viele Jahre!

Alle Kriterien, die gegen den kürzeren Tunnel sprechen, fallen nochmal stärker ins Gewicht gegen den Megatunnel: wie Kosten, Bauzeit, CO2-Ausstoß durch Beton, keine Barrierefreiheit, Archäologie, Gelder und Personal über Jahrzehnte gebunden zu Lasten des oberirdischen Ausbaus.

Der Nutzen ist demgegenüber gering. Die Fahrtzeit verkürzt sich nur um wenige Minuten, dies nur für Fahrgäste die über die Innenstadt hinaus fahren; wer in die City will, dessen schnellere Fahrzeit wird durch die lange Wege aus bis zu vier Tiefetagen aufgefressen. Und da Köln keine echte Metro hat, sondern eine Straßenbahn, die nur zu einem Fünftel des Netzes unter Pflaster fährt, ist die Störanfälligkeit für die meisten Strecken nach wie vor gegeben; diese wirken sich auch im Tunnel aus, wie man z,B. am Bahnenstau im Appellhofplatz regelmäßig sehen kann.

Zur Erinnerung: schon beim  kürzeren Tunnel sprechen laut Verwaltungsvorlage 31 von 51 Kriterien für Oben Bleiben.

Nicht modern, sondern rückwärtsgewandt

Das Megaprojekt ist alles andere als modern, es ist komplett aus der Zeit gefallen. Der Antrag nimmt sogar Bezug auf den Generalverkehrsplan der 50er Jahre, als U-Bahnen den ÖPNV zugunsten des Autos unter die Erde brachten.

Die Tunnelfans können noch so viele einzelne Städte aufzählen, die obendrein oft kaum vergleichbar mit Köln sind, weil sie eine echte Metro haben - in den letzten zwei Jahrzehnten geht der Trend weg von Ubahnen. Modern ist seit zwei Jahrzehnten die Renaissance der Tram. Weltweit haben über 100 Städte sich bewusst gegen U-Bahnen und für die Wiederbelebung ihrer Straßenbahn entschieden, auch dort, wo sie längst abgeschafft war.

In Europa ist Frankreich der Vorreiter. In 26 Metropolregionen fährt dort wieder eine moderne Tram und wird das Netz oberirdisch ausgebaut, begleitet durch Reduzierung des MIV in den Innenstädten und Ausbau von Radwegen.

Das ist moderne Verkehrspolitik, und nicht eine nachholende Entwicklung, die heute noch den autozentrierte U-Bahnbau des vorigen Jahrhunderts imitieren will.

Im Antrag heißt es auch, man wolle auf der OWA eine breite Trasse offenlassen, u.a. für Autos, Schnellbusse und Radschnellweg.

Das ist das Gegenteil von Verkehrsberuhigung in der Innenstadt. Und da man die oberirdische Trasse für die Linie 7 behalten will, entfallen auch die städtebaulichen Argumente, die man die ganze Zeit vor sich hergetragen hat: angeblich musste ja die Straßenbahn unbedingt weg, um gute Aufenthaltsqualität zwischen Heumarkt und Neumarkt zu gewährleisten, was wir immer bestritten haben. Plötzlich werden schöne Bildchen auch mit Straßenbahn generiert.

Vorgaukeln  einer Vision

Garniert hat das Tunnelkartell seinen Vorschlag mit allerlei schönen Worten, die vorgaukeln solle, man habe einen zukunftsfähigen Gesamtplan für die Stadt. Da sollen teils bestehende Linien in Metrolinien umbenannt werden und Vorrangschaltung erhalten. Was nichts besser macht, solange zu wenig Fahrpersonal in alten Bahnen mit ausgedünntem Fahrplan unterwegs ist. Eine konsequente Vorrangschaltung für die KVB ist übrigens auch heute bereits möglich und wünschenswert.

Da werden Ausbauprojekte aufgezählt wie: Schienenanschluss für Neubrück, Mülheim-Süd, Flittard, Stammheim, Linienverlängerungen in den Porzer Süden oder über Widdersdorf nach Niederaußem. Kleiner Haken: all diese Projekte sind nur „zu untersuchen und gegebenenfalls zu planen“.

Prioritäre Aufträge für konkrete Planung und Kostenermittlung sieht der Antrag ausschließlich für den Megatunnel vor. Obendrein stehen diese sinnvollen oberirdischen Ausbauprojekte seit Sommer 2024 auf der Streichliste des KVB-Vorstands, um Betriebskosten zu sparen. Dazu schweigt der Antrag der Tunnelparteien. Er soll den Anschein von Visionen erwecken, drückt sich aber um die konkreten Probleme der KVB herum.

Ein Umstieg vom Auto auf den ÖPNV hängt nicht an einer etwas kürzeren Fahrtzeit durch die Innenstadt. Modern ist nicht Gigantonomie, sondern eine KVB, die pünktlich und zuverlässig kommt, die im dichten Takt fährt, die barrierefreie Haltestellen und funktionierende Aufzüge wie Rolltreppen hat. Das endlich umzusetzen ist bereits ein Großprojekt für Köln und die KVB.

Der Vorschlag von LINKEN und Bündnis Verkehrswende - der übrigens u.a. mit dem Argument zurückgewiesen wurde, man könne jetzt keinen neuen Vorschlag mehr einbringen -  ist der einzige, der eine schnelle, ökologische, preiswerte, barrierefreie Kapazitätserweiterung auf der Ost West Achse ermöglicht: Taktverdichtung auf allen drei Linien 1, 9, und 7. Dafür Ertüchtigung der beiden Nadelöhr-Haltestellen Neumarkt und Heumarkt mit Doppelhaltestellen und Mittelbahnsteig, so das dort ein schneller Fahrgastwechsel möglich wird.

Dann kann es bei 60m-Bahnen bleiben, und es müssen keine 34 Haltestellen für 90m-Langzüge ausgebaut werden. Wenn der Tunnelantrag durchkäme, würde dieses Projekt ohnehin für viele Jahre der Neuplanung gestoppt, denn der Ausbau für 90m-Langzüge ist Teil des Nutzens und damit für Förderfähigkeit des Gesamtprojekts Ost-West-Achse; er kann nicht losgelöst davon umgesetzt werden.