Köln steckt in einer Haushaltskrise
Rede von Heiner Kockerbeck zur Ratssitzung am 13. Febrauer 2025
Köln steckt in einer Haushaltskrise – doch das Kernproblem ist nicht die Ausgabenseite, sondern die chronische Unterfinanzierung der Kommunen. Die Linke möchte eine gerechte Verteilung der Finanzmittel, um Köln sozialer und lebenswerter zu machen. Während die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht und viele Menschen unter hohen Mieten und mangelnden sozialen Angeboten leiden, braucht es entschlossene Investitionen statt Kürzungen.
Das sagte Heiner Kockerbeck in seiner Rede:
Ja, Köln hat eine Haushaltskrise. Das ist offensichtlich. In erster Linie hat der städtische Haushalt aber ein Einnahmeproblem. Seit Jahrzehnten ist nicht nur Köln, sind die Kommunen insgesamt strukturell unterfinanziert. Sie können seit längerem auf berechtigte Erwartungen der Gesellschaft an sie nicht mehr angemessen reagieren. Bund und Land haben den Kommunen in diesem Zeitraum bewusst immer neue Aufgaben übertragen, ohne sie für die Kosten ausreichend zu entschädigen. Alle demokratischen Parteien und Gruppen des Rats haben am 12.12. die Resolution beschlossen, die fordert: Der Bund soll für eine echte Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen sorgen. Die Initiative dazu war von der Linken ausgegangen.
Das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben 2024 gemeinsam errechnet: Die notleidenden Kommunen haben einen Investitionsbedarf von 600 Milliarden Euro - allein für die nächsten zehn Jahre. Dazu brauchen sie mehr Finanzen. Vorschläge dafür liegen vor: einen Fond für die Kommunen beim Bund, eine Entschuldungsinitiative und auf Dauer einen größeren Anteil am Steueraufkommen.
Für Kölner*innen sind die Folgen der kommunalen Unterfinanzierung längst Tagesthema. Tausende Haustürgespräche haben Mitglieder meiner Partei, der Linken, in den vergangenen Wochen in den einkommensärmeren Veedeln Kölns geführt. Als Hauptprobleme wurde dort genannt: Mangel an bezahlbarem Wohnraum, an Schul- und Kitaplätzen, unzuverlässige Bahnen bei der KVB, defekte Rolltreppen. Wer mehr Geld für die Kommunen fordert, dem geht es also nicht um ein verantwortungsloses "Wünsch dir was". Nein, es geht darum, dass in der Kommune, in der unsere Demokratie alltäglich positiv erfahrbar sein sollte, die öffentliche Infrastruktur zuverlässig funktioniert: bei Verkehr, Bildung, Gesundheit, klimagerechter Energie und Kultur.
Was hat uns jetzt der vorliegende Haushalt des im Rat regierenden Bündnisses von Grünen, CDU und Volt dazu zu sagen? Ich möchte hier auf zwei Bereiche eingehen: Auf Soziales und auf Umwelt.
1.
Auch der heutige Haushalt gibt keine ausreichenden Antworten auf die immensen sozialen Probleme der Stadt. Er hat eine Lücke bei der sozialen Gerechtigkeit.
Das ist kein Erkenntnisproblem. Dem Rat liegen aussagekräftige Zahlen der Stadtverwaltung und anderer vor. Im Rechtsrheinischen und im Kölner Norden gibt es viele Stadtteile, in denen über 30 Prozent der Kinder im Bezug von Bürgergeld aufwachsen müssen. Auf andere Stadtteile verteilt sich die steigende Zahl der Einkommensmillionäre. Rund 600 Einkommensmillionäre gibt es in Köln, das knapp hinter Düsseldorf die zweitgrößte Zahl davon in NRW hat (IT.NRW 2024). Die soziale Schere geht bei uns weit auseinander.
Eines der größten Probleme der unteren und mittleren Einkommensschichten sind die explodierten Mieten, die einen großen Teil der Einkommen verzehren. Eine aktive Wohnungspolitik für bezahlbare Mieten findet aber praktisch nicht statt. Das Prinzip heißt: "Der Markt wird`s schon richten." Woran wird das deutlich?
- Den Bau von 2000 günstigen, geförderten Wohnungen pro Jahr hält der Mieterverein für dringend nötig, um den steilen Mietanstieg wenigstens zu dämpfen. Diese Zahl ist nicht einmal entfernt in Sicht.
- Obwohl vom Rat schon 2013 beschlossen, gibt es in Köln erst vier soziale Erhaltungssatzungen, die Mieter*innen vor Verdrängung schützen. In München gibt es 36 von ihnen und 350.000 Menschen wohnen in ihrem Bereich.
- Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG wird nicht genügend unterstützt, z.B. durch günstig ihr überlassene Grundstücke. Sie muss sogar noch jährlich aus ihrem Gewinn Geld in den Haushalt abführen.
- Der Masterplan gegen Obdachlosigkeit bleibt in vielen Punkten zu vage und es gibt zu wenig Geld für ihn. Wie bisher wird es auch zukünftig viele tausend Wohnungslose in Köln geben. Das ist nicht hinnehmbar.
Hohe Mieten sind ein Armutstreiber. Das droht sich fortzusetzen, wenn auch in den kommenden Jahren nicht richtige Schwerpunkte im Haushalt gesetzt werden.
Die Stadtverwaltung leidet unter eklatantem Personalmangel. Sie hat ständig zahlreiche unbesetzte Stellen und sie hat insgesamt zu wenig Planstellen. Das führt zur schleppenden Umsetzung der sozialen Erhaltungssatzungen, langen Wartezeiten auf Baugenehmigungen, Problemen im Neubau und der Sanierung von Schulen.
2.
In der Verkehrspolitik gibt es in Teilen Fortschritte. Durch die Ausweitung von Fahrradstreifen und Fahrradstraßen wurde die Situation für den Radverkehr verbessert. Er hat damit erfreulich zugenommen. Die Initiative "Fahrrad-Entscheid" zeigt aber auch, dass hier noch einiges zu tun ist. Mit Städten wie Kopenhagen kann Köln sich lange nicht messen.
Beim öffentlichen Personennahverkehr ist die Debatte dagegen von der offiziell eingestandenen schlechten "Betriebsqualität" bei der KVB beherrscht. Grüne, CDU, Volt und die Verwaltung haben nicht genügend in den Ausbau von Bus und Bahn investiert, in Zuverlässigkeit der Verbindungen, bessere Zeittakte und maßvolle Fahrpreise. Das wird zukünftig nicht besser: Es fehlt an Investitionen und Personalstellen im Kernhaushalt.
Vor allem leidete der stadtweite Ausbau von Stadtbahn und Bus am Dauerkonflikt im regierenden Bündnis um die Ost-West-Achse. Gerade in der Haushaltsdebatte ist es notwendig, unsere Oberbürgermeisterin, die KVB-Spitze und vor allem die Beton-Parteien von CDU, SPD, FDP darauf hinzuweisen: Begraben Sie ihre wahnwitzigen Tunnel-Pläne in der Kölner Innenstadt, für eine Tunnel von Deutz bis Melaten!
Es geht Ihnen um ein Prestige-Projekt im Zentrum. Das knappe Fachpersonal im Verkehrsdezernat wird für aber für den Ausbau von Bus und Bahn in ganz Köln gebraucht! Oberirdisch ist das viel kostengünstiger. Schon der zweistellige Millionenbetrag für die sinnlose Doppelplanung einer unter- und einer oberirdischen Variante waren vergeudetes Geld der Steuerzahler. Den Haushalt mit einem weiteren Beschluss für einen langen Tunnel von Deutz bis zum Friedhof Melaten zu belasten, verschiebt den Ausbau der Stadtbahnen für die Außenbezirke auf den St. Nimmerleinstag.
Nach den vielen Protesten gegen den Kürzungshaushalt hat im Januar das Bündnis von Grünen, CDU und Volt eine Reihe der schlimmsten Kürzungen im Finanzausschuss zurückgenommen, insbesondere bei Frauenprojekten und Geflüchteten. Das erkennen wir gerne an. Aber Kürzungen wurden nur für 21 Millionen Euro zurückgenommen. während die ganze Summe 90 Millionen beträgt. Das ist zu wenig.
Bei unserem eigenen, weitergehenden Haushaltsantrag - den das Bündnis nicht unterstützte - sehen wir Linke bei den Einnahmen u.a. eine maßvolle Erhöhung der Gewerbesteuer um 15 Hebepunkte für den Haushalt vor und zusätzlich 5 Hebepunkte zweckgebunden für die Verkehrswende bei der KVB:
- Die KVB soll mit einem Anteil an der Gewerbesteuer jährlich jeweils rund 25 Millionen Euro erhalten, um Bus und Bahn auszubauen. Damit beteiligt die Stadt die Kölner Firmen in einer Art Verkehrsumlage an den Kosten des ÖPNV.
- Im Verkehrsbereich sollen 20 Stellen geschaffen werden, den ÖPNV auszubauen.
- Mit 5 Millionen Euro unterstützen wir den Masterplan gegen Obdachlosigkeit.
- Die GAG soll ihre Gewinne nicht in den Haushalt abführen müssen, damit sie mehr preiswerten Wohnraum schaffen kann.
- Den Trägern gestehen wir ein um 10 % höheren Zuschuss zu, um die Steigerung bei den Personalkosten aufzufangen. Weil sie vom Bündnis das nicht tun, kürzen Sie die Träger durch die Hintertür. Diese sind weiterhin strukturell unterfinanziert.
- Bei der Bildung werden für jeweils 1 Million Euro jährlich:
- an Schulen Stellen für Sozialarbeit ausgebaut,
- im Offenen Ganztag an Grundschulen Löhne angehoben, um den häufigen Wechsel von Personal dort zu bekämpfen,
- feste Stellen an der Volkshochschule geschaffen sowie Honorare erhöht. Dass die größte VHS in NRW nur mit Honorarkräften arbeitet, ist ein Makel für die Stadt als Arbeitgeber. Viele Honorare sind viel zu niedrig.
Mein Fazit: Köln hat in den kommenden Jahren große Aufgaben beim sozialen und ökologischen Umbau zu bewältigen. Kürzungen werden stattdessen verheerende Schäden nach sich ziehen. Wir sollten den nachfolgenden Generationen später nicht einmal sagen müssen: "Tut uns leid für die maroden Zustände, die wir euch hinterlassen haben. Aber in den 2020er Jahren hatten wir anderes zu tun, als uns allzu sehr für Solidarität, Klimaschutz und die soziale Infrastruktur einzusetzen." Mit anderen Worten drückt es die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann von der taz in Berlin aus: "Wird nicht investiert, erben unsere Kinder eine Schrotthalde."
Im Veränderungsnachweis der Linken haben wir Vorschläge gemacht, woher wir zusätzliches Geld für den Haushalt nehmen wollen, und wofür wir es ausgeben möchten. Unser Veränderungsnachweis fand keine Mehrheit. Stattdessen wurden die Vorschläge der Grünen, CDU und volt beschlossen.