Katastrophale Ratsentscheidung – aber nicht das Ende des Kampfes!
Zu den drei Tunnelparteien CDU, FDP und SPD hat sich bei der Ratsentscheidung auch noch die AfD gesellt. Warum sollte sie auch für die Verkehrswende eintreten statt für ein Großprojekt der Bau- und Autolobby?
Beschlossen worden ist vollkommen Widersprüchliches. Im ersten Satz wurde die kürzere Tunnelvariante der Verwaltung beschlossen. Im zweiten Satz wird gesagt: eigentlich wollen wir etwas ganz anderes, nämlich einen viel längeren Megatunnel. Dafür wurden etliche Änderungen als Prüfauftrag an die Verwaltung in Abstimmung mit dem Fördermittelgeber beschlossen. Diese dürften keinen Bestand haben und nicht förderfähig sein. Darauf weist auch das Schreiben des Verkehrsministeriums kurz vor der Ratsentscheidung hin.
Zu keinem Zeitpunkt haben die Tunnelbefürworter mit belastbaren Zahlen und Fakten argumentiert. Verwiesen wird gern auf andere „Metropolen“, denen Köln nacheifern müsse. Köln hat aber kein geschlossenes Metrosystem wie Paris, Madrid, Mailand, sondern eine Unterpflasterbahn mit nur 16 Prozent des 250-km-Liniennetzes unter der Erde.
Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt der kurzen Wege, mit hoher Aufenthaltsqualität für Zufußgehende. Modern ist, wenn Bus & Bahn pünktlich kommen, zuverlässig sind und in dichter Taktfolge, so dass es nicht schlimm ist, wenn man eine verpasst und sich noch hinein quetschen muss, wenn sie voll ist.
Modern sind barrierefreie Haltestellen, sind funktionierende Aufzüge und Rolltreppen. Und nicht die erbärmliche Betriebsqualität der KVB, die selbst nach dreifach ausgedünntem Fahrplan 120.000 Ausfälle der Stadtbahn verzeichnet.
Die unterirdischen Strecken in Nippes, Ehrenfeld oder Kalk sowie auf den Ringen, welche die Tunnelfans gern heranziehen, waren ebenfalls nicht alternativlos und seinerzeit hoch umstritten. Sie haben zu mehr Durchgangsverkehren geführt, und während des Baus und danach insbesondere inhabergeführten Geschäften oft den Garaus gemacht. Modern sind autofreie Citys und Stadtteilzentren.
Miserable KVB Betriebsqualität
Die miserable Performance der KVB – für die wohlgemerkt das Topmanagement verantwortlich ist, nicht die Fahrer*innen – führt dazu, dass immer mehr Pendler*innen wieder ins Auto steigen. Statt sich mit dieser Realität für Pendelnde zu befassen fantasiert man über „Metrolinien“. Wenn alle Vororte endlich Schienenanschluss bekämen, könnte dieser auch von Pendler*innen aus dem Umland per Umstieg oder per Park & Ride genutzt werden. Allerdings nur, wenn diese auch regelmäßig angefahren werden und nicht wie der P&R-Platz in Weiden-West nur mit jeder zweiten Bahn.
Aber gerade diese sinnvollen Ausbauprojekte, die Querverbindungen schaffen, Lücken schließen, Veedel anbinden – genau diese stehen aus Spargründen auf der Streichliste des KVB-Vorstands, die letztes Jahr dem Aufsichtsrat vorgelegt wurde. Nur am Tunnel will man festhalten.
Zu keinem Zeitpunkt haben KVB-Vorstand und die Tunnelfraktionen das gesamte Netz im Blick, dessen Ausbau Entlastung für die Innenstadt schaffen würde. Es gab immer nur den Tunnelblick auf die City.
Minimaler Nutzen
Die Tunnelfans benennen den faktischen Nutzen eines Tunnels nicht, weil er so minimal ist.
Ausgangspunkt war die Kapazitätserhöhung auf der Ost-West-Achse. Diese geschieht nur durch die längeren 90m-Bahnen, und nur auf der Linie 1. Der Tunnel fügt dem kein Quäntchen hinzu.
Die Fahrtzeitverkürzung wird offiziell mit 3-4 Minuten angegeben. Aber dies gilt nur für durchfahrende Fahrgäste. Der Ein- Aus- und Umstieg in bis zu 4 Tiefebenen frisst den minimalen Zeitvorteil wieder auf.
Die angeblich größere Störungsfreiheit des KVB-Betriebs ist ebenfalls nicht in Sicht. Da über 80 % des Netzes weiterhin oberirdisch liegen, wirken sich Störungen auch im Tunnel aus.
Die City soll stadträumlich schöner werden. Doch was zwischen Heumarkt und Rudolfplatz stört, ist nicht die Straßenbahn, sondern der Durchgangsverkehr und das Parken im öffentlichen Raum statt in Parkhäusern.
Fördergelder wofür?
Für diesen minimalen Nutzen sollen Milliardenbeträge aufgewendet und die Innenstadt für Jahrzehnte aufgerissenen werden. Die angeblich 90 % Fördergelder von Bund und Land beziehen sich auf den Kostenstand bei der Bewilligung. Mehrkosten bleiben ganz überwiegend bei der Stadt hängen. Bei der Nord-Süd-Stadtbahn wurde das gleiche Märchen erzählt. 10 Prozent von den ursprünglich veranschlagten 550 Millionen Euro wären 55 Millionen gewesen. Tatsächlich beläuft sich der städtische Eigenanteil mittlerweile auf 1,1 Milliarden Euro, wie die Verwaltung nach langem Hinhalten mitteilte.
Auch Fördermittel sind unsere Steuergelder, die für sinnvolle Vorhaben eingesetzt werden sollten, nämlich all die sinnvollen oberirdischen Ausbauprojekte. Womöglich hätten sie sogar besserer Chance auf den Zuschlag, weil sie einen viel höheren Nutzen haben.
Doch schon jetzt blockiert das Tunnelprojekt solche Maßnahmen. So teilte die Verwaltung im Juni 2024 mit, die Verlängerung der Gürtellinie 13 bis zum Rhein könne sie mangels Personalressourcen nicht weiter verfolgen. Dieses Projekt würde die einzige ringförmige Verbindung linksrheinisch schließen und mehr Umsteigemöglichkeiten schaffen. Es ist vorgeplant, förderfähig, mit hoher Zustimmung bei der Öffentlichkeitsbeteiligung. Es ist schlicht skandalös, dass solche Projekte nun wegen der Priorität Tunnel liegen bleiben.
Schon während der letzten 20 Jahre Bauzeit der Nord-Süd-Stadtbahn lag der oberirdische Netzausbau faktisch lahm, nur 3,5 Schienenkilometer kamen hinzu. Darum hat Köln im Vergleich zu anderen Großstädten einen riesigen Nachholbedarf beim Netzausbau. Mit dem Ost-West-Tunnel würde das in den nächsten Jahrzehnten so weiter gehen.
Karten neu mischen
Das letzte Wort ist mit dem katastrophalen Ratsbeschluss noch lange nicht gesprochen. Es braucht noch eine ganze Reihe Folgebeschlüsse in den nächsten Jahren, ehe das Wahnsinnsprojekt umgesetzt wird. Und bei der Kommunalwahl am 14. September werden die Karten neu gemischt. Wählen wir die Tunnelparteien ab!
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wird geprüft, ob ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht werden kann, das den Ratsbeschluss kassiert und die Entscheidung der Einwohnerschaft überträgt.
Die LINKE wird weiterhin den Widerstand mit organisieren, mit rechtlichen Mitteln wie auch durch Aufklärung und Mobilisierung, gemeinsam mit Organisationen der Zivilgesellschaft.