Grundstücke für Gesamtschulen? In Köln gibt es Wichtigeres

Heiner Kockerbeck
AK Jugend und Schule2021 Schwerpunkt Bildungsgerechtigkeit

Seit längerem ist bekannt, dass Grundstücke für die gesellschaftliche Infrastruktur in Köln außerordentlich knapp sind. Das Fehlen eines zupackenden städtischen Flächenmanagements, Beißhemmungen der Stadt gegenüber Investoren und häufige Grundstücksverkäufe als Einnahmequelle des Haushalts spielen hier eine Rolle. Aber ungewöhnlich war es schon, dass im Schulausschuss am 30.8. und teils im Nachgang im Rat am 16.9. zwei große Grundstücke diskutiert werden mussten, mit denen die Verwaltung auffällig nachlässig umging.

Zum einen ging es um den großen Parkplatz gegenüber dem Polizeipräsidium in Kalk. Der Platzjabbek hatte über Jahre oft von den Ankaufverhandlungen der Stadt mit dem Land NRW berichtet. Zuerst hielt das Land die Stadt jahrelang hin. Dann hieß es, die Fläche werde in den 2020er Jahren benötigt. Das Gebäude der Technischen Hochschule Deutz werde dann abgerissen und diese dort provisorisch untergebracht.

Im Schulentwicklungsplan 2020 wurde die Fläche als Reservegrundstück für eine spätere, dringend benötigte Gesamtschule im Stadtteil Kalk aufgeführt. Als der Rat ihn im Mai 2020 beschloss, hatte das Land jedoch schon längst entschieden, gar nicht mehr zu verkaufen. Einer wusste dies bereits seit Mitte 2019: Baudezernent Markus Greitemann. Das Land will seitdem dort Gebäude für das Polizeipräsidium und eine Polizeihochschule unterbringen. Jedoch behielt Greitemann, ein CDU-Mitglied, sein Wissen für sich. Rat und Öffentlichkeit erfuhren davon aufgrund einer Recherche des Stadt-Anzeigers im August 2021.

Die Nachricht erregte dann das Aufsehen, das der Baudezernent seinen Parteifreunden in Düsseldorf möglicherweise Mitte 2019 ersparen wollte. Es gab eine Aktuelle Stunde im Schulausschuss am 30.8., die eigentümlich verlief. CDU, Grüne, Volt und FDP hielten eine Debatte über das Thema für überflüssig. Teils wurde sogar kaltblütig behauptet, der Baudezernent hätte den Ausschuss 2020 informiert. Dieser schwache Rettungsversuch war überflüssig, denn Marcus Greitemann gab im Ausschuss ohne Umschweife zu, eine Weitergabe der Information – versehentlich - versäumt zu haben. Bildungsdezernent Voigtsberger, der einzige SPD-Vertreter im Stadtvorstand, habe nicht Bescheid gewusst.

Keinesfalls hätte geschehen dürfen, dass die Stadt die Landesregierung NRW so einfach aus der Verantwortung für diejenigen Schulen entlässt, die das Land dann in Köln ja betreiben will. Andere Lösungen hätten 2019 erörtert werden müssen: Warum z.B. nicht das große Parkhaus der Polizei in der Nähe durch eine Tiefgarage ersetzen und dann darüber benötigte Raumkapazitäten schaffen? Allerdings war der Ausschuss jetzt unwiderruflich düpiert. Die Entscheidung war gefallen.

Anders steht es um ein städtisches Grundstück am Salzburger Ring im Bezirk Lindenthal. Der 1. FC Köln nutzt es als Reserveparkplatz bei hohen Besucherzahlen im Stadion. Im Frühjahr hatte die Bezirksvertretung gefordert, dort den Bau einer weiterführenden Schule vorzusehen. Der Schulausschuss begrüßte dies und beauftragte im Juni die Verwaltung mit einer bautechnischen Prüfung. Ein Änderungsantrag der LINKEN, dort eine Gesamtschule zu gründen, wurde - von der CDU nur widerstrebend - angenommen. Denn im westlichen Teil des Stadtbezirks sind in kurzer Zeit in Widdersdorf, Lövenich und Müngersdorf drei Gymnasien teils entstanden, teils im Bau. Der Bezirk besitzt dagegen nur eine einzige Gesamtschule.

Doch im nächsten Schulausschuss am 30.8. wies die Schulverwaltung den Vorschlag von BV und Ausschuss glatt zurück: In der Umgebung gebe es genügend Schulplätze. Noch nicht einmal als Reservefläche für die Zukunft wollte die Schulverwaltung das Grundstück geschenkt haben. Möglicherweise wollte aber auch der Stadtvorstand keinen erneuten Konflikt mit dem 1. FC Köln. Denn ohne den Parkplatz als Reservefläche müsste dieser ein teures Parkhaus bauen. Parkende Autos versus lernende Jugend.

Die glatte Abfuhr für Beschlüsse zweier demokratischer Gremien ist allerdings vorerst zurückgewiesen worden. Der Rat beschloss am 16.9. mit großer Mehrheit, dass das Votum des Schulausschusses (und der BV) nun doch umgesetzt werden muss. Wird ein Beschluss in Köln nicht missachtet, versucht’s man halt mit noch einem.

Beide Vorgänge zusammen zeigen: Priorität für Schulbau, wie die Oberbürgermeisterin sie wiederholt in den letzten Jahren ankündigte, gilt nicht immer, zumindest nicht für Gesamtschulen. Im Stadtbezirk Lindenthal gibt es momentan sechs Gymnasien, zwei entstehen gerade. Geht es aber um eine zweite Gesamtschule, vertritt die Verwaltung die Gesamtmeinung, der Bedarf an Schulplätzen sei nun aber wirklich einmal auf viele Jahre hin gedeckt. Bis zur nächsten Elterndemo.