Gastkommentar: Die Situation bei Ford
Die Ford-Werke haben zwei verschiedene Probleme: Eines besteht in der Produkt- und Technologiestrategie und das zweite ist eher ein taktisches und existiert wegen der aktuellen Marktbedingungen. Das große, grundlegende Problem teilt Ford mit allen anderen klassischen Auto-Herstellern, den deutschen, den französischen, denen aus Japan und Nord-Amerika.
Nachdem Tesla in 2019 ihr Werk in Shanghai aufbaute und entschied, ihre Technologie offen in die chinesische Wirtschaft einzubringen, haben die chinesischen Auto-Bauer einen großen Sprung gemacht. Zusammen mit chinesischem Know-How im Bereich Batterien, Elektronik (Chips und Platinen) und Software erarbeiteten sie sich große Technologie-Innovations-Geschwindigkeit. Seither können diese Hersteller Elektroautos etwa 20-30 % billiger herstellen als die klassischen Firmen ihre Verbrenner.
Die klassischen Autohersteller können ihre E-Autos selbst unter Verlusten nur deutlich teurer anbieten als ihre bisherigen Fahrzeuge. Als Beispiel schaue man sich die beiden großen Gewinnbringer des Ford-Konzerns an. In den USA den F150 Pick-up und in Europa den Transit Custom (1-Tonner). Auf den jeweiligen Webseiten (www.ford.com und www.ford.de) kann man leicht sehen, dass die E-Varianten jeweils etwa ein Drittel teurer sind. Trotzdem berichtet Ford für seine E-Auto-Sparte „Model-E“ heftige Verluste. Ähnliches gilt für alle klassischen Herstellen.
Die E-Autos von Ford sind nicht profitabel und werden – auch auf Grund der im Verhältnis zum Verbrenner hohen Preise – nicht im nötigen Umfang gekauft. Zusätzlich droht auch in allen anderen Märkten außerhalb Chinas und Marktsegmenten die Verdrängung durch die neuen Wettbewerber.
Neben den Vorsprüngen in Software, Elektronik und Batterien ist die höhere Eigenfertigung „der Neuen“ ein wesentlicher Teil der Befähigung zur kostengünstigen Fertigung. BYD baut 75 % des Autos selbst; die meisten klassischen Hersteller 25-30 %.
Fords Antwort auf diese Herausforderung ist: Kosten sparen, Personalabbau und Outsourcing von allem, was nicht „Kerngeschäft“ ist. Damit bewegt sich Ford aber genau in die falsche Richtung. Das kann keine Wettbewerbsfähigkeit und damit ökonomische Perspektive erzeugen.
Daher ist der Ford-Betriebsrat auch nicht bereit über die einzelnen Maßnahmen zu beraten. Vielmehr muss erst die Richtung korrigiert werden. Gespräche dazu in den USA sind nötig.
Das eher taktische Problem: Der konkrete E-Auto-Absatz in Deutschland und der EU. Der Kern des Problems ist hausgemacht. Trotzdem spielt die deutsche Gesellschaft eine Rolle. Auch wenn große Teile der gesellschaftlichen Linken das falsch fanden, so haben doch unsere Regierungen der letzten Jahrzehnte das Problem mit verursacht. Es gab keinerlei steuernden Eingriffe in Infrastruktur, Hochschul- und Forschungsausrichtung, Regulierungen der Auto-Industrie zu schnellerem Umbau. Alles dies ist in China passiert. Die dortige Industrie ist nun in einer deutlich besseren Ausgangssituation.
Eine aktive Industrie- oder Mobilitätspolitik wird aber gar nicht diskutiert. Die verlorenen 20 Jahre (die KP China hat bereits in den 2000er Jahren die Autoindustriestrategie so festgelegt, wie sie jetzt erfolgreich ist!) lassen sich aber nicht über Nacht nachholen.
Um von diesem Totalversagen abzulenken wird stattdessen gerade von den Neo-Liberalen in AfD, CDU, FDP das E-Auto kaputt geredet. Dabei ist sowohl fürs Klima als auch für den Erhalt der industriellen Kerne eine E-Auto-Industrie nötig.
Daher sind neben einer längerfristigen Industriepolitik auch kurzfristige Maßnahmen zur Stützung der noch existierenden Auto-Firmen nötig. Der Ford-Gesamtbetriebsrat fordert daher von allen verantwortlichen Politikern:
Klares Bekenntnis zur Elektromobilität
Förderung des Kaufs von Elektrofahrzeugen
Ausbau der Ladeinfrastruktur und bezahlbarer Ladestrom
Dies ist kurzfristig nötig – wir können nicht auf die nächste Bundesregierung warten. Wenn nämlich die Verkaufszahlen der E-Autos sich nicht erholen, wird aus der aktuell vereinbarten Kurzarbeit sehr bald eine Diskussion um die Abschaffung der 2. Schicht im Werk Köln. Davon wären noch einmal zusätzliche 1.300 Stellen betroffen.
Die aktuellen Abbau-Pläne des Konzerns mit 2.900 neuen Stellen-Streichungen in Köln haben nämlich entgegen der Ford-Propapanda gar nichts unmittelbar mit dem schlecht verkäuflichen Autos aus Köln zu tun. Der Plan wurde im Grundsatz schon Anfang Juni angekündigt (ungefähr zeitgleich zum Produktionsstart des neuen Autos). Auch ist die Kölner Fertigung gar nicht betroffen von den jetzt vorgestellten Plänen. Aber: bei der Vorstellung der Pläne ist klar kommuniziert worden, dass „weitere Maßnahmen“ ergriffen werden müssten, falls die Verkaufszahlen sich nicht erholen.