Ein solidarisches Köln braucht Investitionen
Rede von Güldane Tokyürek auf der Ratssitzung am 13. Februar 2025
Statt Menschen in prekären Lebenssituationen zu vertreiben, setzt sich die Linksfraktion für langfristige Lösungen ein. Sie fordert eine stärkere soziale Verantwortung der Stadt und Maßnahmen, die den öffentlichen Raum für alle lebenswert machen. Ein solidarisches Köln braucht Investitionen in soziale Infrastruktur, nicht Ausgrenzung.
Das sagte Güldane Tokyürek:
Verwahrlosung bezeichnet einen Zustand, in dem die Mindesterwartungen, die die Gesellschaft an eine Person oder eine Sache stellt, nicht erfüllt sind. Nur: wer definiert diese Mindesterwartungen, wer stellt fest, dass jemand oder etwas verwahrlost ist? Deshalb ist es erstmal wichtig, innezuhalten und sich zu fragen, ob diese Zustandsbeschreibung den Tatsachen entspricht. Messbar ist Verwahrlosung nicht. Allenfalls ist es eine subjektive Empfindung. Deshalb liebe Kolleginnen und Kollegen ist es wichtig, nicht an diesem Begriff festzuhalten, sondern sich die tatsächlichen Verhältnisse anzuschauen und unaufgeregt zu diskutieren. Trennen würde ich die Situation der Obdachlosigkeit/ und der Drogengebraucher*innen von der der Frage der Sauberkeit. Die Frage der Sauberkeit geht darüber hinaus, und es braucht andere Maßnahmen.
Es ist messbar, dass Obdachlosigkeit zugenommen hat. Es ist richtig, dass sich Drogengebraucher*innen konzentriert am Neumarkt aufhalten. Aber Obdachlosigkeit/ Drogengebraucher*innen mit Verwahrlosung gleichzusetzen blendet die gesellschaftlichen Verhältnisse aus und rückt das Verhalten bzw. Zustände in den Mittelpunkt, die zunehmend individualisiert werden und Strategien neo-liberaler Sozialstaatlichkeit sind, die die Verantwortung dem Einzelnen zuschiebt. Komplexe Lebensumstände mit dem Begriff der Verwahrlosung zu labeln treten wir deshalb entschieden entgegen.
Obdachlose Menschen und Drogengebraucher*innen sind ein Abbild der Gesellschaft. Wie sind verpflichtet uns für diese Menschen einzusetzen. Deshalb sind wir gegen Maßnahmen, die darauf abzielen diese Menschen zu vertreiben. Die Bedarfe sind insgesamt gestiegen und diese zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren ist die große Kunst. Wir hatten in unserem Veränderungsnachweis 5 Millionen für Obdachlosigkeit vorgesehen, weil wir den dringenden Handlungsbedarf sehen.
Was den Drogenkonsum angeht gibt es zwei Phänomene, die besonders bei den Bürger*innen am Neumarkt Unmut und möglicherweise Ängste erzeugt: Zum einen der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit und der zunehmend schlechte körperliche und psychischer Zustand der Drogengebraucher*innen. Zwei Gründe für den schlechten Zustand seien kurz erwähnt. Neue Drogen, wie z. B. Crack, müssen viel öfter konsumiert werden. Dementsprechend hoch ist der Bedarf an Geld. Die Zeiträume, in denen ein hoher Suchtdruck herrscht, sind viel zahlreicher. Viele der Abhängigen am Neumarkt kommen aus Osteuropa. Sie haben hier kein Rettungsnetz durch Familie und Freunde. Der Zugang zu Hilfeangeboten fällt ihnen schwer, wegen der Sprache und/oder einem generellen Misstrauen gegenüber dem Staat.
Unser Polizeipräsident Johannes Hermanns hat vorgeschlagen, dass harte Drogen in den Konsumräumen kontrolliert abgegeben werden könnten. Weiter führte der Polizeipräsident aus:„ Das hätte den Vorteil, dass die Schwerstabhänggen sich nicht an verunreinigter Ware bedienen müssen und wir den Handel nicht unbedingt in die Nähe des Konsumraumes ziehen“. Den Vorschlag finden wir deshalb gut, weil sie die Situation vor Ort deutlich verbessern würde. Alle Vorschläge, die Verbesserungen herbeiführen, unterstützen wir selbstverständlich.
Das Gefühl viele Bürger*innen, dass unsere Stadt nicht mehr die Mindestanforderungen an Sauberkeit erfüllt, müssen wir ernst nehmen. Hier sollten wir uns aber nicht nur auf die Innenstadt konzentrieren. Etliche Stadtteile habe ähnliche und weitere Probleme. Hier sollte der Blick erweitert werden und Maßnahmen ergriffen werden, die schnelle Abhilfe schaffen. Zum einen müsste, was z. B. den Sperrmüll angeht, bessere Informationen zur Verfügung gestellt werden. Möglichweise müssen mehr Mülltonnen aufgestellt werden. Da wo es keine gute Aufenthaltsqualität gibt, müssen wir Qualität schaffen.
Informationen allein werden aber nicht reichen. Der öffentliche Raum ist schützenswert. Wir müssen wieder zu dem Punkt kommen, dass wir uns für die Plätze, die uns nicht privat gehören, verantwortlich fühlen. Das Grundgefühl für das Gemeinwesen muss wieder her. Hier kann jeder was tun und sollte es auch. Es ist unsere Stadt. Wir sind grundsätzlich eine solidarische Stadt. Die vergangenen Wochen habe es wieder gezeigt. Nutzen wir doch diese Solidarität, den Blick auf das Gemeinwesen zu richten und mit einer Kampagne die Menschen daran zu erinnern. Mehr Informationen in den Schulen, Vereinen etc. wäre ebenso hilfreich. Es geht dabei natürlich um Respekt anderen und selbstverständlich auch der vielen Mitarbeiter*innen der AWB gegenüber, die dafür sorgen, dass unsere Stadt lebenswert bleibt.
Nach der Aussprache wurde das Thema zur weiteren Bearbeitung in die Fachausschüsse verwiesen.