Die Stadt kapituliert vor der Aufgabe der Inklusion

Karl-Heinz Heinemann

Mittlerweile soll in Köln fast jedes zehnte Kind von der ersten bis zur zehnten Klasse sonderpädagogisch gefördert werden. Die Zahlen wachsen, aber nicht in den Förderschulen, sondern im gemeinsamen Unterricht an Regelschulen. Mittlerweile besucht mehr als die Hälfte dieser Kinder eine „normale“ Grund-, Haupt-, Real-, oder Gesamtschule und keine Förderschule. In den allerwenigsten Fällen ein Gymnasium. Nur zwei Kölner Gymnasien nehmen Kinder auf, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht das Abitur erreichen werden. Dennoch will die Stadt Köln zwei neue Förderschulen errichten.

Schon seit Jahrzehnten wird der Glaubenssatz des deutschen Schulsystems in Frage gestellt, dass man am besten lernt, wenn alle Schüler einer Klasse die gleichen Fähigkeiten haben und das Gleiche lernen. Statt Pauken im Gleichschritt sollen Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen miteinander und voneinander lernen, auch mit Kindern, die besonderer Förderung bedürfen. Davon können alle profitieren.

Die UNO schreibt in ihrer Behindertenrechtskonvention von 2009 vor, dass körperlich oder psychisch beeinträchtigte Menschen nicht ausgesondert werden dürfen, sondern in der Schule mit den anderen Kindern gemeinsam unterrichtet werden sollen. Diese Konvention gilt auch in Deutschland.

„76% der sonderpädagogisch geförderten Lernenden werden auf Grund einer Lern- und Entwicklungsbeeinträchtigung unterstützt. … Die betroffenen Kinder wachsen häufig in familialen Risikolagen auf, die gekennzeichnet sind von Armut in Verbindung mit sozialer Benachteiligung, großer Distanz zu Bildungs- und Erziehungseinrichtungen sowie Entwicklungsverzögerungen, weil Anregungen und verlässliche Bindungen fehlen“, heißt es im Bericht der Stadtverwaltung zur Inklusionsentwicklung in Köln.

Das sind also Kinder, die keine förderliche Lernumgebung haben, die gerade in einer Lebensphase sind, in der sie den Schulstoff total uninteressant finden, bei denen es zuhause nicht gut läuft, die sich aus irgendwelchen Gründen der Schule, dem Unterricht und der Gruppe verweigern. Sie stellen Lehrkräfte und Mitschüler*innen vor schwierige Aufgaben. Das Schulministerium hat deshalb vorgegeben, dass nicht mehr als drei Kinder mit Förderbedarf in einer Klasse sein sollen, diese Klasse dann nicht mehr als 25 Schülerinnen haben, und dass mindestens für die Hälfte der Stunden eine zweite Lehrkraft dabei sein soll.

Die Kapazitäten der Regelschulen sind erschöpft. Man könnte die Regelschulen so ausstatten, dass sie mehr Kinder mit Förderbedarf aufnehmen können, was auch den „nicht behinderten“ Kindern zugutekäme. Stattdessen will die Stadt weitere Förderschulen einrichten – die dann auch nicht reichen werden. Eine Kapitulation vor der Aufgabe des gemeinsamen Lernens.