Die neue NRW-Krankenhausplanung: Ein Einfallstor zur Privatisierung?

Uschi Röhrig, Andrea Kostolnik

In Abständen von mehreren Jahren verhandelt die NRW-Landesregierung mit den Krankenhausbetreibern und den Krankenkassen hinter verschlossenen Türen, welche Kliniken wie viele Betten haben dürfen. Gerade finden wieder neue Verhandlungen statt, die im Mai abgeschlossen sein werden. Das war Anlass, uns im Mittwochskreis mit zwei erfahrenen Gewerkschaftern auszutauschen. Mit Bernd Tenbensel; dem ehemaligen verdi-Landesgewerkschaftssekretär für Gesundheit und Krankenhäuser, und Achim Teusch, einem Arzt und ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden einer Klinik, hatten wir zwei Experten eingeladen, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen.

Die neue Krankenhausplanung steht unter einem Paradigmenwechsel. Statt über die Zahl der Betten wird über die Zahl der Behandlungen entschieden, die jedem Krankenhaus „zustehen“. Das soll einen Prozess des Umdenkens einläuten: Nicht mehr die Zahl der belegten Betten ist entscheidend. Es kommt vielmehr auf die Zahl der Behandlungen an. Diese kann das Krankenhaus auch ambulant durchführen. Oder Menschen werden schneller entlassen und danach ambulant durch das Krankenhaus betreut.

Neben der Ambulantisierung ist Bettenabbau ein erklärtes Ziel der nordrhein-westfälischen Krankenhauspolitik des CDU-geführten Ministeriums. Es will besonders kleine Krankenhäuser schließen.

Die Befürworter der Ambulantisierung sehen darin nur Vorteile. Es werden Kosten für teure Krankenhausbehandlungen gespart. Das knappe Pflegepersonal kann zielgenau für diejenigen Patienten eingesetzt werden, die wirklich Pflege brauchen. Viele Patienten möchten nur so kurz wie möglich im Krankenhaus bleiben. Doch den Pferdefuß gibt es; er ist nur auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

Dänemark hat bereits flächendeckend ein System ambulanter Gesundheitszentren. Sie sind leicht erreichbar und rund um die Uhr geöffnet, sieben Tage in der Woche. Doch so eine Struktur muss man in Deutschland erst aufbauen, wenn man die Krankenhäuser von ambulant möglichen Behandlungen entlasten will. Und das kostet Geld.

Die Kosten der Behandlung werden von den Krankenkassen bezahlt, die Investitionskosten für Gebäude und Großgeräte vom Land. Doch statt der jährlich notwendigen 1, 5 Mrd. Euro zahlt das Land NRW nur 500 Mio. aus. Dieser Fehlbetrag hat sich inzwischen auf eine Investitionskostenlücke von 12,5 Mrd. Euro aufsummiert.

Dazu kommen die Kosten für den Umbau des Krankenhaussystems. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) schätzt diese auf 100 Mrd. Euro. Die Landesregierung will bis 2027 jährlich 500 Mio. Euro für die Umsetzung der Krankenhausplanung und Klimaanpassungsmaßnahmen zur Verfügung stellen. Doch summiert man diese in den Raum gestellten Beträge mit den tatsächlich schon bewilligten auf, dann kommt man auf 1,265 Mio. Euro jährlich. Dieser Betrag liegt immer noch 235 Mio. Euro tiefer als die 1,5 Mio. Euro, die das RWI als Regelfinanzierung für erforderlich hält. Damit wäre dann noch kein Cent in den Umbau der Struktur geflossen.

Doch wo soll das Geld dann herkommen, wenn nicht aus öffentlichen Kassen? Hier muss dann privates Kapital einspringen, was einen weiteren Privatisierungsschub von Kliniken auslöst. Zudem wäre das Ganze für private Kapitalanleger nur attraktiv, wenn sie eine ordentliche Renditeerwartung hätten. Das ist aber nur der Fall, wenn sie entsprechende unternehmerische Freiheiten hätten. Diese großen Investoren würden immensen Druck auf die Landesregierung ausüben, damit störende Gesetze und Regulierungen durch unternehmerfreundlichere ersetzt werden. Und die schwarz-gelbe Landesregierung würde diesem Druck sicher nachgeben.