Deserteursdenkmal

Jörg Detjen
RedenThema RechtsextremismusRat

Zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz fand am 27. Januar 2006 eine Veranstaltung in der Antoniterkirche statt, die auch von den Ratfraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke.Köln mit veranstaltet wurde. Diese jährliche Gedenkveranstaltung befasst sich immer mit einer Opfergruppe.

Diesmal waren es die Opfer der NS-Militärjustiz. Berichtet wurde auch über den Fall des Kölner Grenadiers Hubert Brass. Im Todesurteil des Feldgerichts vom 12. Mai 1944 heißt es ? ich zitiere ?: "Am 29. September 1939 wurde er zur Wehrmacht gezogen. Bereits im Oktober 1939 beging er eine unerlaubte Entfernung von der Truppe und wurde deshalb kriegsgerichtlich zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt." Herbert Brass war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre jung.

Nach dem Gefängnisaufenthalt erschien er immer wieder nicht zum Dienst. Er wurde zu Gefängnis und sogenannter Frontbewährung verurteilt. Im Februar 1944 sollte seine Kompanie an die Ostfront. Von dem Urlaub, den er vor dem Abmarsch erhalten hatte, um sich von seinen Eltern und seiner Braut in Köln zu verabschieden, kam Herbert Brass nicht zurück. Er wurde verhaftet und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der übergeordnete General kassierte das Urteil als zu milde. Ich zitiere: "Er ist völlig wehrfeindlich eingestellt. Für die Volksgemeinschaft wie für die Wehrmacht bedeutet er nur eine dauernde Last."

Die gegen ihn zu verhängende Strafe konnte deshalb nur die Todesstrafe sein. Ein Gnadengesuch wurde abgelehnt und das Todesurteil am 18. September 1944 vollstreckt. Herbert Brass wurde im letzten Kriegsjahr zur Abschreckung exekutiert, weil er den nationalsozialistischen Idealen nicht entsprach.

Es gab ca. 300 000 deutsche Deserteure, die diesen Idealen ebenfalls nicht entsprachen. 30 000 wurden verurteilt und 22 000 hingerichtet. Auch im Kölner Klingelpütz fanden Hinrichtungen mit der Guillotine statt. Erst im Jahre 2002 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetz, mit dem diese nationalsozialistischen Unrechtsurteile aufgehoben wurden und die Opfer rehabilitiert wurden. Noch heute, 60 Jahre nach Kriegsende, werden diese Opfer von Teilen der Gesellschaft als Feiglinge und Vaterlandsverräter gesehen.

Das möchten wir ändern und mit diesem Denkmal nicht nur der Opfer gedenken, sondern auch einen Denkanstoß geben, nicht voreilig zu urteilen, sondern den Mut, die Kraft und die Verweigerung dieser Menschen zu achten und zu würdigen.

(Zuruf: Da mache ich nicht mit!)

Auf der besagten Veranstaltung am 27. Januar dieses Jahres sprach auch der Friedensaktivist und Deserteur Ludwig Baumann. Er beschrieb, wie er acht Monate vor Kriegsende in Einzelhaft auf sein Todesurteil wartete und dann später freikam. Er brachte es auf den Punkt, als er sagte ? ich zitiere ?: "Zu desertieren heißt den Krieg verraten! Was gibt es Besseres als den Verrat am Krieg?"

Diese Aussage ist für den einen oder anderen von Ihnen zugegebenermaßen provokant. Sie ist aber auch die Lebensweisheit von Ludwig Baumann, der mich am Dienstag anrief und sich sehr freuen würde, wenn der Rat der Stadt Köln heute das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz beschließen würde. Der Zweite Weltkrieg war ein verbrecherischer rassistischer Vernichtungskrieg gegen die Völker Osteuropas, den es in der Geschichte so nie wieder geben darf. Sich diesem grausamen Terror zu entziehen war eine besondere Leistung der Deserteure, denen wir ein Denkmal setzen wollen. ? Danke schön.

(Beifall bei der Linken.Köln sowie bei Abgeordneten der SPD)