Demokratische Rechte schützen und bewahren!

Güldane Tokyürek, Jörg Detjen
ArtikelAUS Wahlprüfungsausschuss

Die Kölner CDU hat die Kommunalwahl angefochten und fordert die Neuauszählung eines Rodenkirchener Stimmbezirkes. Der Kölner Stadtanzeiger ist in das Thema eingestiegen und machte daraus eine regelrechte Kampagne.

Nachdem der Wahlprüfungsausschuss mit den Stimmen von SPD, Grünen und LINKEN die Einwände der CDU ablehnte und nur die Ankündigung einer Klage von der CDU blieb, machten die Grünen auf einmal den Vorschlag, die gesamte Kommunalwahl in Köln neu auszuzählen und beriefen kurzfristig eine Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses ein. DIE LINKE erklärte, man werde sich einer politischen Lösung nicht verschließen, wenn das juristisch möglich ist.

Die rot-grüne Landesregierung NRW stellte in einer rechtlichen Einschätzung klar, dass eine Auszählung aller Wahlkreise ohne ?konkrete, substantiiert vorgetragene Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten? nicht möglich ist¹. Dieser Grundsatz betrifft auch die Neuauszählung von einem Stimmbezirk. Allein einen möglichen Verfahrensverstoß (z.B. Übertragungsfehler) zu benennen, reicht nicht aus, sondern es ist erforderlich, die vermuteten Fehler auch mit Tatsachen zu belegen².

Konkrete Tatsachen wären zum Beispiel nicht ordnungsgemäße Wahlniederschriften, Zeugenaussagen etc. Es liegen aber keine konkreten Anhaltspunkte für Fehler vor, sondern Vermutungen und statistische Vergleiche. Das reicht aber für eine Neuauszählung nicht aus.

Der Grund für diese restriktive Rechtsprechung liegt in der Zweckrichtung des Wahlprüfungsverfahrens. Es soll hierbei die richtige Zusammensetzung der Vertretung in angemessener Zeit geklärt werden³. Grundsätzlich hat der Wahlprüfungsausschuss dennoch die rechtliche Befugnis, nach einem Beschluss mit einfacher Mehrheit, einen Stimmbezirk neu auszuzählen, selbst wenn ein substantiierter Vortrag nicht gegeben ist. Doch auch diese Entscheidung braucht stichhaltige Argumente.

Vier Faktoren sprechen gegen diese Entscheidung. Sowohl der Wahlvorstand als auch der Wahlausschuss haben durch ihre Unterschrift die Richtigkeit der Wahl anerkannt. Weiterhin trägt die Briefwahlniederschrift als öffentliche Urkunde die Vermutung der Richtigkeit in sich. Viertens ist der Einspruch der CDU unsubstantiiert. Deshalb halten wir eine Entscheidung zur Neuauszählung juristisch für nicht machbar.

Wäre es aber nicht sogar zum Vorteil der LINKEN, wenn SPD und Grüne keine Mehrheit mehr hätten? Warum ist DIE LINKE dennoch nicht dafür, die Wahlumschläge mit den Stimmzetteln einfach zu öffnen, wie es CDU und FDP fordern? Es mag vielleicht das Kalkül der CDU sein, auf diesem Wege ein Mandat mehr zu ergattern. Die hartnäckige Diskussion hat aber noch einen viel tieferen Hintergrund.

 

Entstaatlichung und Abbau der kommunalen Selbstverwaltung

Ein grundloses Aufreißen der Wahlumschläge, um die Stimmzettel allein im Interesse der Ratsmitglieder von CDU und FDP neu zu zählen, wäre ein Eingriff in die hoheitlichen Aufgaben und ehrenamtliche Arbeit des Wahlvorstandes ? eine Entstaatlichung von demokratischen Rechten und eine Privatisierung der kommunalen Selbstverwaltung. ?Wir nehmen doch eine verfassungsrechtliche Aufgabe wahr?, sagte eine Wahlhelferin in der Presse4. Zu Recht wies sie darauf hin: ?Es ist eine verantwortungsvolle Rolle, und das ist auch jedem bewusst.? Diese zählen die Stimmen, entscheiden über deren Gültigkeit, fertigen die Wahlniederschrift und übermitteln die Schnellmeldungen.

?Es handelt sich hierbei um eine zentrale Aufgabe der Ergebnisermittlung, die nach der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers ehrenamtlichen Wahlberechtigten obliegt und damit vom Wahlvolk selbst zu bewältigen ist. Als eine Art Selbstverwaltungsorgan der Wahlberechtigten nehmen die Wahlvorstände öffentliche Aufgaben wahr und üben insoweit Hoheitsgewalt aus?.5

Im Rahmen der Gewaltenteilung müssen die Rechte der 1024 selbstverwalteten Wahlvorstände und 10.500 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer vor der Willkür von CDU- und FDP-Ratsmitgliedern geschützt werden. Der Kölner Stadtrat darf sich im Rahmen der Gewaltenteilung nicht über das Wahlrecht und deren Organe erheben. Auch deshalb hat DIE LINKE sich unter den gegebenen Umständen gegen eine Neuauszählung ausgesprochen.

Die doppelte Entstaatlichung

Diese Diskussion findet vor dem Hintergrund statt, dass immer mehr Menschen nicht zur Wahl gehen und sich vom Staat verabschieden. Gründe dafür gibt es viele. Dass aber gerade CDU und FDP jetzt behaupten, eine Verweigerung des Neuauszählens würde den Frust der Kölnerinnen und Kölner erhöhen, ist besonders perfide. Sind es nicht gerade CDU und FDP, die eine Politik der Entstaatlichung betreiben? Sie sind es, die mit demagogischen Versprechungen den Glauben an demokratische Verfahren erschüttern und in doppelter Weise einer Politik der Entstaatlichung den Weg bereiten.

CDU, FDP und Stadtanzeiger ist es gelungen, die Kölnerinnen und Kölner stark zu verunsichern und Zweifel an dem Wahlergebnis zu säen. Wenn man um des lieben Friedens willen nun sagen würde, man zählt Rodenkirchen neu aus, so werden weitere Begehrlichkeiten nach Neuauszählung entstehen, so ist z.B. eine Nippeser Wahlkreis bereits im Gespräch.

Wer kontrolliert den Wahlausschuss?

In zwei Artikeln monierte der Kölner Stadtanzeiger, dass Stadtratsmitglieder ihre eigene Kommunalwahl überprüfen würden. Im ersten Moment stockt man und denkt, da ist was dran. Ist es aber nicht! Die Kommunen sind keine eigene Säule der föderalen Bundesrepublik, sondern eine Untergliederung des Landes Nordrhein-Westfalen. Das konnte man spätestens sehen, als das Land NRW am 29. August das Neuauszählen der Kölner Kommunalwahl untersagte. Die Kölner SPD hat das begriffen und gleich eine Landtagsabgeordnete in den Wahlausschuss entsandt. Der Vorschlag des Kölner Stadtanzeigers, private Personen sollen den Wahlausschuss stellen, ist schon sehr abenteuerlich ? wer soll es machen? Willkürlich ausgeloste Personen? Der Vorstand der IHK oder des DGB?

Güldane Tokyürek, Jörg Detjen  

1 Erlass v. 29.08.2014 (Az. 12-35.10.01)

2 vgl. BverfG, Beschluss v. 24.08.1993-2 BvR 1858/92

3 vgl. BverfGE 40,11; BverfGE 562/91

4 Kölnische Rundschau 1.9.2014

5 Kommentar Bundeswahlgesetz § 8 Rn. 2/Wolfgang Schreiber