Beschäftigungspolitik in Köln II

Claus Ludwig

Liebe Damen und Herren von SPD und Grünen, ich habe den Eindruck, Sie möchten sich zurzeit in der Öffentlichkeit gerne als diejenigen darstellen, die sich um die Arbeitslosen und um die Schaffung von Jobs Sorgen machen. Deswegen waren Sie nicht so ganz glücklich damit, dass die Linksfraktion diesen Antrag vorgelegt hat.

Denn Sie wollen sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und haben daher selbst noch etwas nachgeschoben. Die Dringlichkeit war insofern gegeben, dass Sie das Thema nicht anderen überlassen wollten; das kann ich rein menschlich gesehen auch verstehen. Allerdings haben Sie nur etwas Halbgares nachgeschoben: das Expertenhearing. Ich kann nicht glauben, dass man damit ein Stück vorankommt.

Letztes Jahr wurde hier das Bündnis für Arbeit beschlossen. Damals waren die Grünen noch sehr skeptisch, ob man in so einer Runde etwas erreichen könnte. Jetzt wird, zwar mit etwas veränderten Zielvorstellungen, eine ähnliche Runde vorgeschlagen.

In punkto Dringlichkeit schießt die CDU ohnehin den Vogel ab: Einerseits zweifelt sie an der Dringlichkeit der Vorlage und stellt gleichzeitig einen Änderungsantrag. Es geht mir nicht in den Kopf, wie das zusammenpasst.

Zu den Inhalten des rot-grünen Antrags. Zwischen den Zeilen geben Sie es eigentlich zu: Hartz IV ist, gemessen an den offiziellen Zielvorgaben, gescheitert. Die 1-Euro-Jobs sind der letzte Blödsinn und führen zu nichts oder - Herr Kluth hat es etwas vorsichtiger ausgedrückt - sind nicht die Lösung aller Probleme. Stimmt! 

Sie können natürlich nicht ganz offen zugeben, dass die ganze Kram gescheitert ist, weil Sie ja den Leuten in diesem Lande Hartz IV eingebrockt und die Republik monatelang mit Propaganda überzogen haben. Deswegen machen Sie mit Ihrem Antrag wieder die Arbeitslosen selbst für den Stellenabbau verantwortlich. Ihr Antrag strotzt vor Formulierungen wie ?leistungsgemindert?, ?haben keine Chancen?, ?müssen an den Arbeitsmarkt herangeführt werden?. So ein Unsinn!

Vorhin, in der Debatte um den Köln-Pass, haben SPD-Redner selbst beschrieben, wie es zurzeit auf dem Arbeitsmarkt aussieht und wie der Stellenabbau bei Allianz, Talanx und all den mittleren Industriebetrieben, die wir in Köln haben, läuft. Wir haben heute die Hiobsbotschaft aus dem Ruhrgebiet gehört, wo BenQ die Handyproduktion aufgeben will. Diesen Abbau gibt es auch im öffentlichen Dienst. Davon sind Leute, die weniger qualifiziert oder älter sind, natürlich eher betroffen.

Aber bei der derzeitigen Lage in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst liegt es im Kern weder am Alter noch an der Qualifikation. Auch wenn wir eine Bevölkerung hätten, die zu 100 Prozent aus Facharbeitern mit Masterstudiumabschluss und einem ganzen Stapel von Weiterbildungszertifikaten bestehen würde und die auch noch kollektiv in einen Jungbrunnen gehüpft wäre, hätten wir immer noch Massenarbeitslosigkeit. Dann wären halt nicht die Wenigqualifizierten arbeitslos, sondern die Hochqualifizierten.

Deswegen befürchte ich, dass bei dem Hearing, wenn Sie es mit solchen Begründungen veranstalten, wenig herauskommen wird. Ich glaube, dass sich die Unternehmen freuen werden, die dort erneut eine Plattform haben werden, um Kombilöhne - also staatliche, öffentliche Subventionierung von Lohnsenkungen - zu propagieren.

enn Sie die Aufgabe des Kampfes gegen die Massenarbeitslosigkeit ernst nehmen, dann kommen Sie um eine einfache Tatsache nicht herum: Wenn die privaten Unternehmen nicht ausreichend Arbeitsplätze schaffen, wird es nicht zu einem Abbau der Massenarbeitslosigkeit kommen; es sei denn, es wird politisch eingegriffen.

Dazu gibt es im Kern zwei Instrumente: Erstes Instrument: Ausbau des öffentlichen Sektors durch die Schaffung von qualifizierten Jobs im öffentlichen Sektor, von denen man leben kann. Und: Die Stärkung von Dienstleistungen, die die Bevölkerung braucht, zum Beispiel in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Das Beenden des Personalabbaus im öffentlichen Dienst würde eine Umkehr bedeuten.

Zweites Instrument: Politische Eingriffe in private Unternehmen, um deren Verfügungsgewalt einzuschränken. - Möglich wären gesetzliche Maßnahmen, zum Beispiel als erster Schritt ein Verbot von Entlassungen, wenn die Betriebe profitabel sind. Auch wäre es möglich, Betriebe, die mit Abwanderung drohen, in öffentliches Eigentum zu überführen. Solange diese Punkte nicht angegangen werden und die zentrale Rolle des öffentlichen Sektors erkannt wird, werden alle Bündnisse für Arbeit oder Expertenhearings heiße Luft produzieren und nur das alte Märchen ?Arbeitsplätze werden durch Lohnverzicht geschaffen? aufwärmen.

(Andreas Köhler [CDU]: Das ist ja abenteuerlich! Das ist ja Kommunismus hoch drei!)

Deshalb weist nur der Antrag meiner Fraktion in die richtige Richtung, nämlich den öffentlichen Sektor auszubauen und dort Arbeitsplätze zu schaffen, von denen man leben kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken.Köln - Andreas Köhler [CDU]: Das war reif für die DDR vor 20 Jahren!)